August Tholuck – Aus einem Brief an Stier

Mein Inneres ist jetzt stiller als je, ich fühle mich immer weniger von äußeren Dingen abhängend, allein geborgen in meinem Herzen . . . Ich darf — nur seine Gnade bete ich dabei an — sagen: Wo Jesus Christus ist der Herr, wird’s alle Tage herrlicher. Durch diesen Glauben schwinge ich mich über alle Versuchungen hinaus, über allen Trübsinn. Ich habe freilich solche manchmal noch sehr stark, ach, an manchen Tagen treibt mich der Gedanke an den Selbstmord wie ein Gespenst, selbst weckt er mich des Nachts aus dem Schlafe. Aber ich betrachte jetzt diese Gedanken als etwas außer mir Liegendes und nicht zu meinem Ich Gehöriges. Dadurch erhalte ich, daß ich dabei nicht zaghaft werde, sondern sagen kann: Du Teufel erhältst doch nicht den Sieg, sondern ich bin ein Eigentum meines Herrn Christus. Meinst du nicht auch, mein Bruder, daß der Böse am besten überwunden wird, wenn wir einmal im Glauben annehmen, er vermöge gar nicht uns zu überwinden? Ebenso mache ich es auch mit dem Trübsinn. Ich sehe ihn als etwas von außen mir Zugeschicktes an, und wenn tausend bange Bilder meine Phantasie umschweben, rufe ich laut aus: In dem allen überwinden wir weit!, und durch diesen Glauben, daß ich durch den Herrn gewiß überwinden werde, kommt immer wieder ein Freudenstrahl in meine Seele, der wirklich den Trübsinn verteilt. Und so bin ich denn freudig gewiß: der das große Werk in mir Armen angefangen, der wird es auch herrlich vollenden.