Christoph Blumhardt – Jesus bleibt treu!

Er ist unser Christus geblieben bis auf den heutigen Tag. Auf uns aber fällt die Last, daß wir nicht die Treuen sind und die unaussprechliche Barmherzigkeit unseres Gottes nicht erkennen und nicht treu im Herzen bewahren. Ist man im Himmel warm und allezeit in voller Tätigkeit zu uns her, so ist man auf Erden vielfach kalt. Gott aber ist treu; und auch die Gerichte, die er über uns sendet, sind nur ein Zeichen seiner Treue; er will uns nicht gehen lassen, wir sollen nicht versinken. Jesus Christus bleibt treu bis ans Ende. Die Erde ist kalt und tot, der Himmel ist warm und lebendig; und es wird doch noch zu einem Sieg der Lebenswärme auf Erden kommen.

Hermann Bezzel – Vom rechten Heimweh

Zwar kennt auch das Heidentum ein Heimweh, aber nur nach verlorenen Gütern, während der Christ das Verlangen nach dem, was zukünftig ist, in sich trägt. Zwar geht durch die ganze Welt der Diesseitigkeit eine leise Unterklage, der Unterton des Wehs und des Kummers. Aber dieser Unterton klingt matt und müde in Selbstmitleid, in jener kraftlosen, Saatfeldern, ausgemergelten Selbstbedauerung. Christen dagegen haben ein Heimweh, das eine Lebenskraft in sich schließt, sie haben Stäbe in den Händen, um weiterzugehen, und diese Stäbe sind persönlich erlebte Gottesworte. Sie handeln nicht, wie man ihnen vorhält, mit leeren Begriffen, sie leben nicht, wie man ihnen nachsagt, mit allerlei Gedanken, die nicht aus Gottes Herzen, sondern aus der Menschen Köpfe kamen, sondern sie leben von erlebtem Leben und stehen unter der Obgewalt der größten Tatsache, daß mitten im Tode das Leben wohnt.

Frederic Bettex – Lebenskunst

Es gibt nur eine Lebenskunst, sterben zu können; dazu muß man das eigene Leben überwunden haben. Weiß ich gewiß, daß ich nichts bin und nichts habe, nichts weiß und nichts kann, so wandle ich froh im herrlichen Gefühl meiner Nichtigkeit und meines Gottes Allmacht. Denn die Wurzel aller Sorgen ist das „Ich“. Tue es aus der Sorge hinaus, so bist du ihrer auch ledig und kannst sprechen: Weil ich nichts bin, kann ich nicht untergehen; weil ich nichts habe, kann ich nichts verlieren; weil ich nichts weiß, kann ich nicht irren; weil ich nichts kann, sorge ich nicht um mein Tun. – Wer versteht’s?

Frederic Bettex – Glauben

Gleichviel, ob einer den Stoff oder die Naturkräfte oder die Intelligenz, die Wissenschaft oder „la gloire“, oder den Beruf, die Pflicht oder die Freiheit, die Humanität oder den Geldsack oder die Genußsucht ehrt, etwas muß jeder Mensch haben, was er höher achtet als sich selbst, vor dem er im ernsten Gottes- oder Götzendienst sich, seine Zeit, seine Kräfte, seine Gesundheit, sein Leben, ja seine Seele zum Opfer bringt, soll sein Leben nicht wertlos und nichtig ihm erscheinen.

Frederic Bettex – Fürsorge

Wo der göttliche Geist den Menschen durchglüht, erstirbt die Sorge um das tägliche Brot, das Bangen um die irdische Existenz derart, daß ihre bloße Erwähnung einem schrillen Mißton gleich klingt. Können wir uns einen Moses vorstellen, wie er durch zuverlässige Freunde sich nach guten ägyptischen Staatspapieren erkundigt, um sein Erspartes für seine Kinder gut anzulegen? Oder einen Elias, wie er alljährlich etwas aufsteckt für den Fall, daß er alt und erwerbsunfähig wird, ehe der feurige Wagen kommt? Oder einen Petrus, wie er pünktlich in die Lebensversicherung einzahlt, damit seine Frau etwas zu leben habe, wenn er den Märtyrertod erdulden soll? Warum nicht? Waren sie doch Menschen wir wir, mit Frau und Kindern, mußten auch leben mit ihrer Familie, mußten essen, trinken, Kleider, Obdach, Reisegeld und noch vieles andere haben. „Elias,“ sagt die Schrift, „war ein Mensch wie wir.“

Bernhard von Clairvaux – Knechtschaft

Der Mensch war ursprünglich frei geschaffen, aber, nachdem die Sünde gekommen ist, hat sich sein Zustand sehr verändert. Die Seele, welche nach eigener Bestimmung fiel, kann sich nicht wieder von selbst erheben und will sich nicht wieder erheben, weil sie in eitle Liebe versunken ist. Sie kann die Sünde nicht lassen und kann sich doch auch ihretwegen nicht entschuldigen. So herrscht nun hier ein Zwang, der sich stets selber macht, eine Gewalt, die drückend schmeichelt und schmeichelnd drückt, eine Last, die als Lust gilt. Der Mensch erduldet eine Knechtschaft, die um so schmählicher erscheinen muß, je mehr er selber ihr beständiger Urheber ist.

Bernhard von Clairvaux – Hunger und Durst nach Gerechtigkeit

Eine starke Hungersnoth ist auf Erden eingetreten, den unvernünftigen Thieren sind wir gleich geworden, essen Träber und werden nicht satt. Wer Geld liebt, wird nicht satt, wer Schwelgerei liebt, wird nicht satt, wer Ruhm sucht, wird nicht satt. Ihr thörichten Kinder Adams, indem ihr das Viehfutter dieser Welt genießet, stärket ihr ja nicht die hungrige Seele, sondern den Hunger selber. Und daß ich es euch durch ein Beispiel klar mache, indem ich eins von den Dingen nenne, wonach die Eitelkeit trachtet: So wenig können menschliche Herzen durch Gold befriedigt werden, als menschliche Leiber sich daran sättigen mögen. Wer satt zu werden wünscht, der muß nach der Gerechtigkeit hungern, nach jenem Brode verlangen, dessen im Hause des Vaters die Fülle ist. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.

Bernhard von Clairvaux – Die Entschlafenen

Daß wir uns der selig Entschlafenen erinnern, geschieht zur Förderung und Erbauung des Herzens. Unsere Gedanken an sie gleichen Funken, durch welche unsere Seelen gehoben und entzündet werden. Und warum sind wir nun noch trag und lässig, uns in Seufzern und Liebesgluth emporzuschwingen? Es erwartet uns die Gemeinde der Erstgebornen, es verlangen nach uns die Heiligen, es hoffen auf uns die Gerechten. Lasset uns aufstehen vom Schlafe, lasset uns suchen und eilen! Ach es ist wohl schon hier schön zu sehen, wie Brüder freundlich zusammen wohnen, und in Eintracht des Herzens und Geistes die Leiden des Lebens überwinden! Aber Vollkommenheit suchst du auf Erden vergebens. Um wie Vieles köstlicher, herrlicher, seliger muß daher die Gemeinschaft sein, in die kein Schatten von Mißgunst oder Zwietracht eindringen kann, die von ewigen Liebesbanden gehalten wird und wo Alle m der Einheit des Vaters und Sohnes verbunden sind! Siehe, die Geliebten sind aus dieser Welt zu Gott gegangen, und haben uns heilige Unterpfänder zurückgelassen. In Frieden schlafen bei uns ihre Leiber, während ihre Namen dort leben in Ewigkeit. O daß wir ihrer nimmer vergäßen, sondern stets bedächten, daß sie und wir Eines großen Leibes Glieder sind!

Bernhard von Clairvaux – Die Kirche

Von dem Zustande und der Vollendung der Kirche hängt das Ende aller Dinge ab. Nicht eher wird Gottes Lob in höchster Weise gepriesen werden, als bis alle Heiligen kommen und im Angesichte der Engel singen: Wir freuen uns der Tage, da Du uns geschlagen, der Jahre, da Du uns hast leiden lassen! Solche Art des Frohlockens lernt der Himmel nur durch die Söhne der Kirche kennen. Es kann nur sein, wo es vorher gefehlt hat. Erwünscht kommt nach der Traurigkeit die Freude, nach der Arbeit die Ruhe, nach dem Schiffbruch der Hasen. Allen gefällt die Sicherheit, am meisten aber denen, die zuvor in Furcht lebten. Lieb ist wohl Allen das Licht, aber am liebsten dem, der lange in finsterer Nacht wandelte. Doppelt groß erscheint das Gnadengeschenk des Lebens, wenn man vom Tode zum Leben hindurchgedrungen ist.