Kierkegaard, Sören Aabye – Seid nicht arglistig

Es ist menschlich, Gott zu bitten, er möge Geduld haben, wenn man nicht also gleich kann, was man soll, jedoch so, dass man gelobt, danach zu streben. Es ist menschlich, Gott zu bitten, er möge Mitleid haben, dass einem die Forderung zu hoch ist: will es kein anderer von sich gestehen, ich gestehe, ich tue so. Aber das ist doch nicht menschlich, der Sache eine ganz andere Wendung zu geben, dass ich listig, immer eine Lage über der anderen, Auslegung und Wissenschaft und noch einmal Wissenschaft dazwischenschiebe (ungefähr wie wenn ein Schuljunge ein Kissen oder auch mehrere unter seinen Wams anbringt, wenn er Prügel kriegen soll), dass ich das alles zwischen das Wort und mich schiebe, und dann diesem Auslegen, dieser Wissenschaftlichkeit den Namen von Ernst und Wahrheitseifer beilege, und dann dieses Treiben zu einer solchen Weitläufigkeit anschwellen lasse, dass ich niemals dazu komme, einen Eindruck von Gottes Wort zu empfangen, niemals dazu komme, mich im Spiegel zu beschauen.

Es sieht aus, als zöge all dieses Forschen und Grübeln und Sinnen und Ergründen Gottes Wort ganz nahe an mich heran. Die Wahrheit ist, dass ich eben damit, aufs Allerlistigste, Gottes Wort so weit als nur möglich von mir entferne, unendlich viel weiter, als es dem ist, welchem vor Gottes Wort so angst und bange ist, dass er es so weit als nur möglich fortschleuderte…

Lass dich nicht betrügen – oder, sei nicht selber arglistig. Denn wir Menschen, wir sind Gott und Gottes Wort gegenüber gar so listig, selbst der Dümmste unter uns ist gar so listig – ja, Fleisch und Blut und Eigenliebe sind gar listig…

Bist du also ein Gelehrter, so gib am Ende acht, dass du nicht über allem diesem gelehrten Lesen (welches kein Lesen von Gottes Wort ist) vergessest, Gottes Wort zu lesen. Bist du ungelehrt, oh, sei nicht neidisch auf den anderen, freue dich, dass du ohne Verzug dazu kommen kannst, Gottes Wort zu lesen! Und gibt es da nun einen Wunsch, einen Befehl, dann eile flugs davon, um danach zu tun.“