Alkuin – Nachfolge

Lasset uns auf dem Wege des Lebens fortschreiten und zurückkehren zu der himmlischen Stadt, da wir Mitbürger und Hausgenossen Gottes sein sollen. Lasset uns betrachten die Herrlichkeit derselben, so viel wir mit sterblichem Blicke vermögen. Es steht geschrieben von ihr, daß Schmerz und Seufzen hinweg sein werden. Da ist kein Alter, noch des Alters Mühsal, denn Alle sind herangewachsen zu einem vollkommenen Manne nach dem Maaße des Alters Christi. Was giebt es Seligeres, als ein solches Leben, wo man keine Armuth zu fürchten, keine Krankheit zu leiden hat, wo Niemand verletzt wird, Niemand zürnet, keine unreine Lust sich reget! Wo kein Hunger nagt, kein Ehrgeiz quält, kein Teufel schreckt, keine Holle mehr droht! Uebel und Zwietracht sind in die Ferne dahingeschwunden, Friede und Freude regieren überall. Die Nacht ist vorüber, die Wolken haben sich zerstreut, ein verklärter ewiger Tagesschein ist angebrochen, viel lieblicher, als jegliches irdische Licht; denn jene Stadt darf, wie wir lesen, keiner Sonne, noch des Mondes, sondern die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie und ihre Leuchte ist das Lamm. Dort sind die Patriarchen, Apostel und alle Heiligen, dort die Chöre aller Engel und Erzengel, dort thront ihr König, dessen Herrlichkeit, Schönheit, Glorie und Majestät alle Gedanken übersteigt. O daß wir doch beständig mit Liebe daran gedächten, um auch dahin zu gelangen! Es liegt an unserem Wollen, denn das Himmelreich leidet Gewalt. Warum eilen und lausen wir nicht in Glauben und Liebe dem Vaterlande zu? Dort erwartet uns eine große Zahl von Seelen: Eltern, Brüder, Schwestern, Kinder und Verwandte. O welche Freude und welcher Jubel muß es für sie und für uns sein, wenn wir – einander uns wieder erblicken und umarmen können! Wohlan denn, lasset uns auf Christum sehen! Er ist der Urheber des Heils, der Fürst des Lichts, der Schöpfer der Freude; Er wird uns den rechten Weg führen.

Alkuin – Gericht

Wehe mir, wenn jener Tag des Gerichtes herbeikommt und die Bücher aufgeschlagen werden, in denen alle meine Thaten und Gedanken zu lesen sind! Dann werde ich vor Gewissensqualen mein Haupt niederschlagen und mit Angst und Bangigkeit vor dem Richterstuhle Gottes stehen. Und wenn dann das Wort erschallen wird: Siehe, dieser Mensch und seine Werke! dann werden alle Sünden und Missethaten sich vor mir erheben. Denn durch göttliche Macht wird es geschehen, daß Jedem seine Werke in wunderbarer Eil vor die Seele geführt und auch Allen alle Heimlichkeiten Aller offenbar werden. Was wir uns hier zu bekennen schämen, werden dort Alle sehen; was wir heuchelnd hier bedecken, wird als Racheflamme wider uns hervorsprühen.

Alkuin – Gebet zu Jesus

Herr Jesu Christe, eingeborner Sohn Gottes, gleiches Wesens mit dem Vater und heiligen Geiste, durch den allein Vergebung der Sünden, durch den allein Leben und Seligkeit kommt: Du hast einst den reuigen Zöllner gerechtfertigt, die Bitte des demüthigen Kananäischen Weibes erhört, mitleidig auf Petrus hingeblickt, da er Dich verleugnet, und als er bitterlich weinte, ihn wiederum angenommen, Du hast den Schacher am Kreuz, als er um Gnade flehte, mit Paradiesesherrlichkeit beschenkt. O so laß auch mir, dem elendesten und unglücklichsten Sünder, der mit Furcht und Zittern seine Missethat bekennt, Vergebung werden, aus daß ich das heilige Sacrament Deines Leibes und Blutes nicht zum Gericht der Verdammniß, sondern als Speise zur ewigen Seligkeit genieße. Dazu hilf Du mir, der Du mit dem Vater und heiligen Geiste regierest in Ewigkeit. Amen!

Alkuin – Nachfolge

Groß bist Du, o Herr, und sehr zu preisen, groß ist Deine Kraft, und Deine Weisheit ohne Maaß. Zu Deinem Lobe hast Du uns geschaffen, und unser Herz ruhet nicht, bis es in Dir ruhet. Aber wer giebt, daß Du in mein Herz kommst, daß Du es mit heiligem Rausche erfüllest, daß ich allen Jammer vergesse und Dich allein umfasse. Was bist Du mir? Verzeihe, daß ich mich unterwinde, mit Dir zu reden! Sage mir um Deiner Barmherzigkeit willen, Herr mein Gott, was Du mir bist. Sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hülfe! Ich will Deiner Stimme nachgehen, und Dich umfassen. Verbirg Dein Antlitz nicht vor mir, daß ich nicht sterbe. Eng ist die Wohnung meiner Seele, komm und mache sie weit, zerrüttet ist sie, stelle sie wieder her. Viel Sündenschmutz hat sich darin fest gesetzt, der Deinen Augen mißfällt; ich bekenne und weiß es. Ich will nicht mit Dir rechten, denn Du bist die Wahrheit, ich will mich selber nicht täuschen.
Ich habe gesündigt, daß ich nicht in Dir, sondern in Deinen Kreaturen meine Lust suchte: so bin ich in Schmerzen, Verwirrung und Irrthum gefallen. Ach vergieb die Ungerechtigkeit meines Herzens, und sprich zu mir, barmherziger Gott, sprich zu mir Armen: Ich bin deine Hülfe! Entreiß mich dem Abgrunde eitler Freuden, laß mich empfinden, was es heißt, Dich lieben, und tröste meine Seele, daß sie wiederum fröhlich werde. Herr, der Du immerdar bist ohne Veränderung, der Du lebest und Nichts stirbt an Dir, sprich zu Deinem Knechte: Ich bin deine Hülfe!

Allkuin – Dank für die Erlösung

Allmächtiger, ewiger, unaussprechlicher Gott, dreieiniger Gott ohne Ende und ohne Anfang, ich bete Dich an, ich lobe und preise Dich. Dir sei Dank, daß Du mich aus der Nacht des Unglaubens und Irrthums errettet, und in das Reich Deiner Gnade versetzet hast. Vollende nun auch das Werk Deiner Liebe, das Du an mir angefangen. Hilf, daß ich immerdar denke, rede und thue, was Dir wohlgefällt. Beschirme mich überall nach Deiner Güte, und laß mich Unwürdigen und Armen endlich dahin gelangen, wo man Dein Antlitz schauet in Ewigkeit. Amen.

Alkuin – Nachfolge

Der heilige Apostel ermahnt uns: Seid ihr mit Christo auferstanden, so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes; und wiederum spricht er: Unser Bürgerrecht ist im Himmel. Ist nun unser Bürgerrecht im Himmel, so lasset uns seufzen, so lange wir noch auf dem gefahrvollen Wege des Lebens gehen, so lange wir noch fern von der Heimath wallen. Lasset uns emporsteigen auf den Flügeln der Andacht über Alles, was aus der Zeit entsprungen ist und mit der Zeit verläuft. Lasset uns auffliegen mit der ganzen Sehnsucht des Geistes nach jenem Vaterlande, zu dem wir in der Zeit nahen, und in dem wir ohne Zeit leben werden.. Lasset uns mit dem Psalmisten sprechen: Wie der Hirsch schreiet nach frischem Wasser, so schreiet meine Seele, Gott, zu Dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott; wann werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Angesicht schaue?

Alkuin – Bitte um Vergebung

Vor Dir, o Herr, der Du gesprochen hast: Ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern daß sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe, will ich mein ganzes Herz enthüllen. Wie die Sterne des Himmels und wie der Sand am Meere, so unzählbar ist meiner Sünden Menge. Siehe auf mich in Gnaden herab und erbarme Dich meiner. Oeffne den Quell meiner Augen, vergönne mir einen Blick in das Geheimniß Deiner Erlösung und nimm mich als Glied am Leibe Deiner Kirche auf durch Jesum Christum, Deinen Sohn, unsern Herrn und Heiland, der mit Dir und dem heiligen Geiste lebet und regieret von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!

Alkuin — Bekehrung

Was zögerst du, o Sünder, dich zu bessern? Kehre um und thue Buße. Morgen, sprichst du, will ich mich bekehren. Warum nicht heute? Du sagst: Mein Leben kann noch lang sein. Ich spreche: Ist es lang, so sei es gut, ist es kurz, so sei es auch gut. Wer wollte doch gern ein langes Uebel tragen? Kaufst du ein Haus, so verlangst du ein gutes; fuchst du eine Gattin, so begehrst du eine gute; wünschest du dir Kinder, so möchtest du gute haben; und bei alle dem liebst du ein schlechtes Leben! Du sprichst: Morgen, morgen will ich mich bekehren. O Rabenstimme! die Taube kam wohl wieder zur Arche, aber der Rabe blieb aus. Willst du dann dich erst bekehren, wenn du nicht mehr sündigen kannst, so haben dich wohl die Sünden verlassen, aber du hast sie nicht verlassen. Wer die Zeit der Gnade hier verlor, wird in der Ewigkeit keine Gnade mehr finden.

Alkuin – Bekenntnis

Ich glaube an Dich von ganzem Herzen, o König des Himmels und des Erdkreises Herr; ich verehre Dich als Vater, Sohn und Geist, dreifach den Personen, einig dem Wesen nach. Du bist der wahre, allmächtige Gott, unkörperlich, unsichtbar und unbegrenzter Natur. Nichts ist über Dir oder unter Dir, was größer wäre, als Du. Du bist allerseits vollkommen ohne Mängel, groß ohne Ausdehnung, ewig ohne Zeit, bist Leben ohne Tod, stark ohne Schwäche, wahrhaftig ohne Trug. Du bist ohne Raum überall gegenwärtig, ohne Theilung überall ganz, ohne Regung erfüllest Du Alles, ohne Bewegung übersteigest Du Alles, ohne Ruhe bleibest Du in Allem, ohne Bedürfniß schaffest Du Alles, ohne Mühe regierest Du Alles. Keinen Anfang hast Du und machst doch aller Dinge Anfänge, keine Veränderung trifft Dich und bringst doch alle Veränderungen hervor. In Deiner Größe bist Du unendlich, in Deiner Kraft allmächtig, in Deiner Güte unerreichbar, in Deiner Weisheit unerforschlich. Gerecht zeigst Du Dich in Deinen Gerichten, geheimnißvoll in Deinen Gedanken, wahrhaftig in Worten, heilig in Werken, reich an Mitleid, geduldig gegen Fehlende, gnädig gegen Reuige. Du bist immer dasselbe ewige und endlose Wesen, das kein Wille wandelt und keine Notwendigkeit vernichtet, das von keinem Unglück niedergebeugt und von keinem Glück erhoben wird. Nicht trägt Dir Vergessenheit Etwas davon, nicht bringt Dir Gedächtniß Etwas wieder; das Vergangene entschwindet Dir nicht, die Zukunft zieht Dir nicht entgegen. Nicht diente Dir ein Ursprung zum Anfang, nicht die Zeit zum Wachsthum, kein Zufall kann Dir ein Ende setzen; sondern vor der Zeit, in der Zeit und nach der Zeit lebest Du in Ewigkeit, und es ist Dir beständiges Lob und ewiger Ruhm, unvergleichbare Gewalt und immerwährende Herrschaft bis in die endliche und unermüdliche und unermeßliche Ewigkeit Amen!

Alkuin: Bibel

Die ganze Reihe der heiligen Schriften ist eine Ermunterung für uns, damit wir uns vom Irdischen zum Himmlischen heben, wo allein die wahre und dauernde Seligkeit ist.
(de trinitat. lib. I. c. 1.)