Bengel an seine Tochter.

Ich könnte dir keinen besseren Brief schicken, als die heilige Schrift. Danach halte dich in deinem innern und äußeren Tun und Lassen, Leben und Wandel, Glauben und Hoffen, Meiden und Suchen, Arbeiten und Ruhen, Lieben und Dulden. Gib dein Herz dem frommen Heiland in aller Aufrichtigkeit und einfältigen Zuversicht, und bemühe dich nicht vorher, dass du es besser und würdiger machen wollest, sondern überlasse es Ihm, dass er es durch seinen Geist erneuern und ihm gefällig machen möge. Geht dir dann etwas Freudiges auf, so verschütte es zwar nicht, aber lass doch auch Andere, mit denen du umgehst, merken, dass du von der himmlischen Freundlichkeit und Leutseligkeit etwas erblickst. Befleißige dich, dem himmlischen Vater dankbar und gefällig zu sein, und streite dann wider alle unlustigen (verdrießlichen] Gedanken und Überlegungen, weil die Liebe und der Frieden das Regiment in unseren Herzen führen soll. Gott macht Alles wohl. Sein sind und bleiben wir. Der verborgene Mensch des Herzens, unverrückt mit sanftem und stillem Geiste, ist köstlich vor Ihm.

Johann Albrecht Bengel – Friede.

Welt-Friede ist ein elender Friede, nur von außen so, von innen Furcht; Gefahr, Argwohn, Misstrauen immerfort. Hingegen der Friede Gottes lehrt, wie man mit Gott daran sei, auf Zeit und Ewigkeit. Er heilt das Herz von Grund aus. Und die Seele kann rühmen: die Liebe Gottes sei ausgegossen in ihrem Herzen. Sie bekommt ein flammendes Herz, das in völliger Übergabe sich Gott zum Opfer darlegt.

O Liebe Jesu! wie wahr, wie freundlich bist du! aber auch wie heilig, wie rein!

Johann Albrecht Bengel – Friede und Freude.

Der Friede Gottes ist wie ein stilles Meer. Hingegen bei der Welt besteht der falsche Frieden darin, dass man den Unfrieden, der im Herzen ist, übertäubet. In der Sünde ist Unfrieden; aber wo Vergebung der Sünden ist, da ist Leben und Frieden. Der Frieden ist die Frucht der Auferstehung Christi.

Statt der tollen Weltfreude tritt ein Friede über alle Vernunft ein, und eine Freude, welche der natürliche Mensch nicht fasst.

Johann Albrecht Bengel – Gottes Angesicht schauen.

Es ist etwas heilloses, wenn man sich in die Welt verwickelt und verliert, und sich durch Abweichung von Gott, durch Ungerechtigkeit und Unreinigkeit, durch allerlei Ungebühr je mehr und mehr untüchtig macht zu dem lauteren Lichte Gottes. Die Himmelsbürger haben nicht mehr zu kämpfen, sie sind in der ewigen Ruhe, Freude und Herrlichkeit.

In der Gemeinschaft Jesu Christi sind wir zur Gemeinschaft aller herrlichen und seligen Himmelsbürger gebracht. Da sollen wir den Ruf und Zug zum ewigen Leben in unserm Herzen walten lassen. Durch die Erkenntnis unseres großen Gottes, und unseres Heilandes Jesu Christi, und die darin liegende Wahrheit und Klarheit sollen wir entfliehen der unflätigen garstigen Welt und uns los machen von allem, was uns von derselben anhängt.

Johann Albrecht Bengel – Himmlischer Sinn.

Hier, in diesem Leben, muss der Grund schon bei uns gelegt werden, wenn wir in jener Welt zu etwas kommen sollen. Die Wurzel des ewigen Lebens, die Erkenntnis Jesu Christi muss schon in diejenigen Seelen eingesenkt werden, die des ewigen Lebens hernach in vollem Maße genießen sollen. Lass uns, HErr Jesu, wahrnehmen, was Du den Deinigen zeigest, uns losreißen von dem, was irdisch ist und uns gefangen hält, und uns aufschwingen himmelwärts.

Johann Albrecht Bengel – Seelenfassung.

Wir meinen oft, nur das, was wir tun und lassen, habe Verantwortung, an die innere Seelenfassung denken wir nicht. Und die hat doch das meiste zu bedeuten. Bei einem bösen Menschen nimmt seine Stärke (der Bosheit), wenn er still ist, oft mehr zu, als wenn er geschäftig ist. Im Guten ists aber auch so: wenn ein Mensch einmal eine Kraft bekommen, so legt die immer zu, wo nur Treue im Herzen ist. Die Seele ist schnell in ihren Wirkungen. Voll Trieb und voll Kraft ist das menschliche Herz.

Johann Albrecht Bengel – Erleuchtung.

Was gegen die Sonne die kleinen Stäubchen sind, die man in der Luft sieht, das sind gegen Gott seine Geschöpfe. Da sollen wir lernen, unsern Gott allein. groß achten und durch die Erkenntnis seiner Größe unser Herz erleuchtet und erweitert werden lassen, dass es nicht so finster und enge bleibe, noch sich mit nichtigen Dingen schleppe, sich darüber verwundere und darinnen verliere. Von dem Licht seiner Klarheit soll unser Herz immer erfüllt sein, dass es nicht sei, wie ein finstrer Winkel, sondern wie ein schönes Gemach, darin sich der Sonne Glanz ungehindert ausbreitet.