Gellert, Christian Fürchtegott – Sonntagsheiligung

Wir gehen mit dem Sonntage zu leichtsinnig um, und ich bin überzeugt, eine frömmere Anwendung desselben sey zum Wachsthum in der Religion und Gottseligkeit ein unentbehrliches und zugleich das beste Mittel. An diesem Tage sich von allen irdischen Geschäften losreißen, sein Herz prüfen, zum Himmel erheben, dasselbe mit den Wahrheiten des Glaubens nähren und stärken, heißt es auf die ganze Woche stärken, und sich zur rechtschaffenen Ausübung seines Berufes vorbereiten. Wer den Sonntag würdig feiert, wie kann der wohl die übrigen Tage unwürdig zubringen? Wer ihn elend anwendet, wie kann der an die Pflicht glauben, die übrigen gut anzuwenden?Höre mich, wer du auch seyst, der du dieses liesest: auf die Anwendung des Sonntags kommt die Anwendung der Woche an. Vergiß an diesem Tage die Kleinigkeiten der Erde! Sey ganz der Religion und dem Himmel gewidmet! Fühle die Wohlthaten Gottes, das Glück frommer Freunde und ihrer Gespräche, die Freuden der Natur und ihrer Wunder. Bete, danke, erforsche dein Herz. Erkenne, daß du von Gott allein die Kräfte zu deiner wahren Wohlfahrt hast. Suche sie demüthig von Ihm, und sey dankbar für diejenigen, die du empfängst. Wir vergessen unsere Schwachheit und unsere Unwürdigkeit unter dem Tumult der Geschäfte und Angelegenheiten des Lebens gar zu leicht, wenn wir nicht eine gewisse Zeit festsetzen, unser Unvermögen und die Macht und Güte Gottes, unsere Unwürdigkeit und Seine Hoheit zu erkennen. Diesem Geschäfte sollte der Sonntag gewidmet seyn. Er ist der Tag des Gebets und der Ruhe, worin die Seele allein ihr wahres Glück findet.

Gilbert von Hoylandia – Wächter der Kirche

Die heiligen Schriftsteller stehen als Wächter der Kirche da. Sie spüren die verschiedenen Gemüthsstimmungen auf, finden die Leidenschaften und Krankheiten, die den Menschen verzehren, und dringen bis zum Grunde aller Gedanken. So oft ich darin lese, fühle ich mich getroffen und ergriffen. Ihre Ermahnungen erschüttern mich, und ich werde verwundet an Stellen, die ich für fest und sicher hielt. Der Schleier der Heuchelei, der Unwissenheit und Vergessenheit wird mir abgezogen, das Kleid eiteln Ruhmes wird mir genommen. In dem Lichte ihrer Gemälde erkenne ich meine Flecken, und unter den Donnern ihrer Worte thut sich das Innerste meines Herzens auf. O wie heilsam ist das für mich! Denn wenn ich keine Schöne mehr an mir gewahren, wenn ich keine Ruhe mehr in mir finden kann, dann zieht mich Liebessehnsucht zu meinem Herrn empor.

Gilbert von Hoylandia – Ewigkeit

Wenn einst der Tag der Ewigkeit anbricht, dann .wird auch die prophetische Leuchte, die uns den Weg in der Nacht zeigt, verlöschen, dann wird auch der Strom des Schriftwortes, der hier noch mit manchen dunkeln Stellen dahin fließt und nur im Spiegel und Räthsel erkennen läßt, versiegen und die reinen Wasser des ewigen Lebens werden allein und ohne Ende fließen. Mit der Sterblichkeit wird das Gewölk schwinden, das uns die Geheimnisse des Himmels verdeckt; in heiterer Klarheit wird die lautere Wahrheit ihr Angesicht vor uns enthüllen, nicht mehr einzelne Lichtblicke, wie sie sich hier zu uns herabstehlen, sondern die volle Sonne werden wir schauen.

Gilbert von Hoylandia – Warum entfernt sich Jesus

Warum scheidet der theure Jesus, warum entfernt er sich von der Seele, die ihn liebt? Erst erregt er die Sehnsucht und dann nimmt er ihr die Wonne. Oder will er etwa ihr Verlangen dadurch heißer und inniger machen? Ja, so ist es. Die ferne Liebe weckt größere Liebe. Wie waren doch die Erscheinungen des Auferstandenen so kurz, so plötzlich, so abgebrochen! Von Einigen wurde er kaum erkannt, als er schon wieder verschwand. So geschieht es noch. Wenn man ihn meint zu halten, so stiehlt er gleichsam seine Gnadengegenwart; verstohlen kommt er, verstohlen geht er wieder, und zu der Höhe, dahin er aufsteigt, können wir ihm, so lange wir noch im Fleische wallen, nicht gleichen Schrittes folgen. Aber wann er wiederkehrt, dann brennt unser Herz in uns, wie es den Jüngern brannte auf dem Wege nach Emmaus. Wie selig ist die Stunde, wo die Seele von seinem Feuerstrom durchflössen und geschmolzen wird! Wie weicht da alle Kälte, alle Härte, aller Starrsinn so plötzlich; wie wächst sie in der Liebe, wie eilt sie in der Sehnsucht, wie glänzt sie in der Wahrheit!

Gerson – Ewigkeit

Ich erschrecke und erbebe, wenn ich jenes furchtbaren Wortes gedenke: Weichet von mir, ihr Uebelthäter, gehet hin von mir in das ewige Feuer! O wie bitter ist es vom höchsten Gute, vom größten Glücke, vom dauerndsten Frieden auf immer getrennt und in das tiefste Elend, in ewige Pein und Unruhe verstoßen zu werden! O hartes Wort, o ewiger Zorn, komme nicht über mich! Laß mich, o Herr mein Gott, lieber leiden in der Zeit, als daß ich jammern müßte in Ewigkeit!

Gerson – Die Todesstunde

Welcher Freund wird mir treu bleiben? Wer wird mir beistehen in jener letzten Noll), in jener furchtbaren Stunde des Todes? Wer wird mir da helfen? wer für mich reden und antworten? Vor den Richterstuhl des heiligen und allmächtigen Gottes gestellt, werden sich rings um mich Feinde erheben; mein Gewissen wird schlagen, meine Werke werden verklagen. Kann mir dann die Welt noch helfen? O nein, sie wird in weiter Ferne hinter mir liegen. Kann mir dann der Leib noch helfen? O nein, er wird im Grabe modern, von Würmern zernagt. Kann mich dann Sinnenreiz noch laben? O nein, die Thore des Körpers, durch die ich früher ging, um Luft und Vergnügen zu suchen, Augen, Ohren, Zunge, Geschmack, Gefühl und alle Glieder werde ich verschlossen finden mit dem ehernen Riegel des Todes. Ach, ich bin verloren, habe ich mir nicht auf Erden schon einen Freund im Himmel erworben.

Gerson – Gedenke Deiner Todesstunde

Es ist gut zu aller Zeit und bei allen Handlungen seiner Todesstunde eingedenk zu sein. Man muß sich oft fragen: Sage mir, meine Seele, bekenne mir, Elende und Unglückliche, wenn du in diesem Augenblicke oder nach einer Stunde dem Leibe entrückt und vor den Richterstuhl Gottes gestellt würdest, was wolltest du antworten? zu wem deine Zuflucht nehmen? Thue doch also schon jetzt, wie du dann gethan haben möchtest, und fliehe schon jetzt zum Throne der Gnade! Du weißt ja nicht, wie schwach du am Ende sein, oder wie geringe Zeit dir zur Reue übrig bleiben wird! Solches muß man oft bei sich erwägen und bedenken. Es ist auch gut, wenn man sich vorstellt, als sähe man seine Freunde und Bekannten auf dem Todtenbette liegen, als sähe man ihre nach Hülfe und Rettung suchenden Mienen. Gewiß ist uns der Tod; er wird für einen Jeden sicherlich kommen und nicht ausbleiben!

Gerson – Gottes Einkehr

Wer klopft doch an meines Herzens Thür? Gewiß ist es mein Gott und Vater. Weichet zurück, ihr elenden Geister, die der Vater, der bei mir einkehren will, von ganzer Seele haßt. Gehet, Stolz und Hoffart, Zorn und Rache, Haß und Neid, Geiz und Schwelgerei; geh ohne Säumen, du ganze Familie der Laster. Und nun komm, theuerster Herr! Siehe, meine Hände sind so matt und so schwach, ich kann die Thür nicht öffnen. Brauch Deine Macht und schließe Dir auf mit Deinem Himmelschlüssel! Arm bin ich freilich, aber ich weiß, daß Du meiner nicht bedarfst, o höchstes Gut. So siehe nun meines Herzens Wunsch an, und laß Dir meinen Willen Wohlgefallen.

Gerson – Frieden

Wer wahren Frieden haben will, der muß in Zion wohnen, das heißt, er muß zu Gott fliehen; denn kein Andrer kann für uns streiten, als Er, der uns gemacht hat. Wir müssen täglich kämpfen, weil wir täglich angefochten werden. Wir müssen den Schild des Gebetes ergreifen, aus vollem Herzen seufzen, den Namen Jesu anrufen und aufblicken gen Himmel, daher alle gute Gabe kommt. Wir müssen sprechen: O lieber Herr Jesus, hilf mir doch! Herr, mein Gott, stehe mir bei! Was kann ich Unglücklicher ohne Dich vollbringen? Suchen wir also ernstlich seine Hülfe und seinen Rath, dann wird unser Herz gewißlich erfreut und erfrischt werden.