Gilbert von Hoylandia – Ewigkeit

Wenn einst der Tag der Ewigkeit anbricht, dann .wird auch die prophetische Leuchte, die uns den Weg in der Nacht zeigt, verlöschen, dann wird auch der Strom des Schriftwortes, der hier noch mit manchen dunkeln Stellen dahin fließt und nur im Spiegel und Räthsel erkennen läßt, versiegen und die reinen Wasser des ewigen Lebens werden allein und ohne Ende fließen. Mit der Sterblichkeit wird das Gewölk schwinden, das uns die Geheimnisse des Himmels verdeckt; in heiterer Klarheit wird die lautere Wahrheit ihr Angesicht vor uns enthüllen, nicht mehr einzelne Lichtblicke, wie sie sich hier zu uns herabstehlen, sondern die volle Sonne werden wir schauen.

Gerson – Ewigkeit

Ich erschrecke und erbebe, wenn ich jenes furchtbaren Wortes gedenke: Weichet von mir, ihr Uebelthäter, gehet hin von mir in das ewige Feuer! O wie bitter ist es vom höchsten Gute, vom größten Glücke, vom dauerndsten Frieden auf immer getrennt und in das tiefste Elend, in ewige Pein und Unruhe verstoßen zu werden! O hartes Wort, o ewiger Zorn, komme nicht über mich! Laß mich, o Herr mein Gott, lieber leiden in der Zeit, als daß ich jammern müßte in Ewigkeit!

Bernhard von Clairvaux – Ewigkeit

O seliges Land der himmlischen Heimath, wo der dreieinige Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut wird, wo jene erhabenen Engelschaaren unter tiefem Rauschen der Flügel zu rufen nicht aufhören: Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth! in dir ist Wonne, in dir ist Licht, in dir ist Reichthum, in dir ist Friede, in dir ist anbetendes Staunen. O hohes Land, aus dem Thale der Thränen seufzen wir zu dir empor, da Gott Alles in Allen sein, da die enthüllten Wunder der Welt den Schöpfer preisen und die Kreaturen mit Seligkeit erfüllen werden. Eile hinauf, du geistliche Seele, mit den Augen der Sehnsucht, siehe den König der Ehren in seinem Glanze! Legionen von Engeln und Schaaren von Heiligen reihen sich um ihn, der die Stolzen erdrückt und die Demüthigen erhebt, die Teufel verdammt und die Menschen erlöst.

Anselm von Canterbury – Ewigkeit

Erhebe dich jetzt, meine Seele, und bedenke es, wie herrlich und wie groß jenes ewige Gut ist. Denn sind schon einzelne Güter so ergötzlich, wie ergötzlich muß jenes sein, das aller Güter Wonne in sich faßt, und ist das geschaffene Leben schön, wie schön muß das schaffende sein? Das kein Auge gesehen hat, und kein Ohr gehöret hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, hat Gott bereitet denen, die ihn lieben. Und warum zerstreuest du dich nun noch nach allen Seiten hin, um Güter des Leibes und der Seele zu suchen? Liebe das Eine Gut, in dem alle Güter beschlossen sind. Was willst du denn, mein Fleisch, was begehrst du, meine Seele? Dort ist ja, was du willst, dort ist ja, was du begehrst. Siehst du auf Schönheit? Die Gerechten werden leuchten, wie die Sonne, auf Schnelligkeit und Freiheit? Sie sind wie die Engel Gottes. Wünschest du dir ein langes und gesundes Leben? Dort ist eine gesunde Ewigkeit und eine ewige Gesundheit; denn die Gerechten werden ewiglich leben und der Herr ist ihr Heil. Willst du Sättigung? Sie werden satt werden, wenn sie erwachen nach seinem Bilde. Verlangst du nach Rausch? Sie werden trunken von den reichen Gütern des Hauses Gottes. Hörst du Gesänge gern? Dort singen die Engel dem Herrn ein neues Lied. Willst du ein reines Vergnügen? Mit Wollust tränket sie der Herr als mit einem Strome. Erfreuet dich Ehre und Reichthum? Gott wird seine frommen und getreuen Knechte über viel setzen, sie werden Kinder Gottes und Miterben Christi sein. Ja dort ist Alles, was du Hohes und Schönes denken magst: Weisheit, Freundschaft, Eintracht, Macht und Sicherheit. Du menschliches, bedürftiges Herz, Herz voller Sorgen und Kümmernisse, wie würdest du dich freuen, wenn du an allen diesen Dingen Ueberfluß hättest! Frage dein Innerstes, ob es die Freude über ein so großes Glück fassen kann. Aber wenn nun ein Anderer, den du wie dich selber liebst, dieselbe Seligkeit genießt, so muß sich deine Freude verdoppeln; und wenn nun zwei, drei oder Viele dieselbe empfinden, so mußt du die Freude aller dieser mitfühlen. Wie mag es nun sein in jener vollkommenen Liebe unzählbarer Engel und Menschen, wo Keiner den Anderen weniger liebt, als sich selber!