Bengel, Johann Albrecht – Gebets-Macht.

Es ist etwas Vermögendes um das Verlangen einer Seele, die durch den Geist Gottes entzündet wird. Liegt doch in dem Willen eines Menschen eine solche Gewalt, dass wir gewarnt werden, nicht über einander zu seufzen, damit Gott nicht gedrungen werde, als Richter darein zu sehen. Wie viel größerer muss die Macht sein, wenn das Verlangen der Liebe Gottes und seinem Willen ganz gemäß ist, und sich auf eine wohlbefugte Weise darstellet?

Sobald eine Seele sich von sich selbst und von der Kreatur ab, und zu Gott kehrt, so ist das schon ein Schritt zur Heiligkeit, die zum rechten Gebet gehört; da kann man schon mit dem Gebet einen Anfang machen, sich Gott aufzuopfern.

Nur muss man nicht wieder zurück weichen, sondern beständig fortfahren; nicht in sich selbst liegen bleiben, sondern sich als ein Gefäß der göttlichen Gnade und Ehre halten.

Nikolaus von Zinzendorf – Den Vater Anrufen

Christus hat positiv und geradezu erklärt, dass Seinen Vater Niemand anrufen könne, als die Kinder Gottes: dass also: wer das Vater Unser beten will, und kein Kind Gottes ist, den Namen des Herrn seines Gottes unnützlich führt, und fällt ins Gericht des andern Gebotes. Er hat erklärt, dass Er Seines Vaters Namen Niemand eröffnet habe als Seinen Brüdern, die von Seinem Vater erst gezeuget, von dem heiligen Geiste geboren, und Ihm hernach angetraut worden; denen hat Er ausschließend davon gesagt. Denn da die Jünger kamen und sagten: Herr! lehre uns beten; so antwortete Er im Gegensatz der Jünger Johannis: Ihr aber sollt sagen: Unser Vater, der du bist rc. Dies macht das Gebet des Herrn zu einem eigentlichen Gebet der Kinder Gottes, welches beten zu dürfen eine der größten Gnaden ist, ein Privilegium, das man erst durch die Begründung seiner eigenen Seligkeit, durch seine eigene Begnadigung und Absolution von allen Sünden erlangt. Du sollst also das Vater Unser nicht leichtsinnig daher schwatzen, sondern dem Gott, der uns vom zukünftigen Zorn erlöst hat, Jesu Christo zu Füßen fallen, und die unschätzbare Gnade in der Ordnung holen, dass du Abba sagen darfst mit Jesu Christo.

Nikolaus von Zinzendorf – Gespräch mit Gott

Wir legen uns ihm alle Tage dar, wie wir sind; wir weinen uns in seinen Schoß, und entladen uns bei Ihm von allem, was drückt, wir sagen Ihm alles, was uns erfreulich oder betrübend ist. Dies ist das Mittel, wie man sich erhalten kann bei dem großen natürlichen Verderben, das durch eine unglückselige Erbschaft auf uns gekommen ist, und sich dem ganzen menschlichen Geschlechte mitgeteilt hat, und davon wir nicht los werden, bis wir von der Erde genommen, und in den Schoß, nicht Abrahams, sondern unseres Heilandes getragen werden. Dann können wir uns gratulieren über die totale (gänzliche, vollkommene) Erlösung von dem Leibe der Sünde und dem natürlichen Elend, das wir nicht aufhören zu beweinen, bei aller Freude, die wir über Seine Nähe und der Gewissheit unserer Seligkeit empfinden.

Holl, Karl – Übers Gebet

An zwei Dingen hängt alles: am Gebet und an der Liebe. Das sind die tiefsten Kräfte, die den Menschen umbilden, je treuer er sie übt. Wirkliches Beten will gelernt sein. Und man lernt es nicht vom Bitten, sondern vom Danken aus. Es gibt Augenblicke, in denen Gottes Güte uns besonders nahe tritt. Jeder, der sein Leben überdenkt, weiß das. Da lüftet sich etwas wie ein Schleier. Solche Eindrücke muß man festhalten. Als neueer Mensch kommt man aus jedem Dankgebet heraus. Diese hellen Punkte sind und bleiben die Lichtquellen, von denen aus sich das Dunkel hebt. – Die Augenblicke des Stehenbleibens vor Gott sind die, wo man Kraft schöpft, wo man Atem holt aus der jenseitigen Welt. Sich an Gott halten heißt atmen in Gott, in jedem Augenblick wissen, daß man zu ihm gehört und unter ihm steht.

Immanuel Gottlieb Kolb – Vom Gebet

Im Anfang, wenn der innere Mensch noch schwach ist, will auch das Beten noch nicht recht gehen; dann ist es wie bei einem Pumpbrunnen, wo das Wasser mühsam heraufgebracht werden muß. Nach und nach geht es etwas leichter, daß es wie ein laufender Brunnen von selbst fließt; und eindliich wird das Beten zum dringenden Bedürfnis, so daß es springbrunnenartig aufwärts steigt.

Gerhard Tersteegen – Über viele Worte

Betet viel und redet wenig. Der Schwätzgeist ist eine Zerstörung aller christlichen Zusammenwohnungen, eine Auslöschung der Andacht, eine Verwirrung der Gemüter, eine Verschwendung der Zeit, eine Verleugnung der göttlichen Gegenwart. – Viele Worte sind ein Zeichen meist von einem noch zerstreuten Geist: Wer Gott kommt nah, der lernet schweigen und sich in stiller Ehrfurcht beugen.