Johann Albrecht Bengel – Über das Gebet zum Heiligen Geist

In der Heiligen Schrift werden die meisten Gebete an den Vater gerichtet, bei den Evangelisten viele an den Sohn, wie zum Beispiel das Gebet des Stephanus in der Apostelgeschichte und einige Gebete in der Offenbarung. An den Heiligen Geist werden keine gerichtet. Warum? – Weil er ein Geist des Gebets ist. Nichtsdestoweniger darf man zu ihm beten; denn wir sind in seinem Namen nicht minder getauft als in den des Vaters und des Sohnes. Der Geist ist unter den Dreien, die da zeugen im Himmel. Die Ökonomie (die göttliche Haushaltung) des Heiligen Geistes wird anfangen, wenn der Geist der Welt, das ist das Wesen der Welt, in dem der Teufel nistet (1. Kor. 2), im Tausendjährigen Reich abnimmt.

Anselm von Canterbury – Gebet

Wohlan, o Mensch, laß jetzt ein wenig deine Arbeit, birg dich eine Weile vor deinen stürmischen Gedanken, vergiß deines schweren und lästigen Streites, gieb dich Gott eine Zeit lang hin und ruhe aus in ihm. Laß Alles von dir, was nicht Gott ist oder dir ihn nicht finden hilft, gehe hinein in deines Herzens Kämmerlein, und schließ die Thür hinter dir zu. Sprich dann aus ganzem Herzen: Ich suche Dein Antlitz, o Herr. Lehre du mich, wo und wie ich dich suchen, wo und wie ich dich finden kann!

Ambrosius – Nachtzeit ist Zeit zum Beten

Wenn schon die Jünger der weltlichen Wissenschaften sich nur wenig Schlaf gestatten, um wieviel mehr dürfen dann die, die Gott erkennen wollen, sich nur soweit durch den Leibesschlaf behindern lassen, wie er ein natürliches Bedürfnis ist. David näßte jede Nacht sein Bett mit Tränen. Auch stand er um Mitternacht auf, um dem Herrn sein Bekenntnis abzulegen. Da glaubst du, die ganze Nacht dürfe der Trägheit geopfert werden? Zu dieser Zeit mußt du sehr zum Herrn beten, seinen Schutz erbitten, Schuld vermeiden, wenn sie scheinbar geheim ist. Dann vor allem, wenn mich Finsternis und Wände um mich herum verbergen, ist daran zu denken, daß der Herr in alles Verborgene sieht. Sprich also nicht: „Ich bin von Finsternis umgeben; wer sieht mich? Wen fürchte ich, der ich durch die Wände abgetrennt und abgeschlossen bin?“ „Denn das Antlitz des Herrn steht wider die, so Böses tun.“

Ferner, wenn du auch den Richter nicht siehst, siehst du auch dich selbst nicht? Fürchtest du nicht das Zeugnis deines Gewissens? Weißt du nicht, daß diese nächtliche Finsternis nicht Deckmantel, sondern Anstiftung zur Sünde ist? Nacht war es, als Judas verriet und Petrus verleugnete. In dieser Stunde muß man das Richten Gottes in seiner Seele wiederholen und die mahnenden Gebote einschärfen. Die Keuschheitsvorschriften sollen nicht fern sein, daß der Sinn sich mit ihnen beschäftigen und den Brand der Wollust, die Glut des Fleisches löschen könne. Halte das Psalmwort im Sinn: „Ich netze mein Bett die ganze Nacht.“ Wer der Unzucht hingegeben, in Schandtaten verwickelt ist, der netzt sein Bett nicht die ganze Nacht. Er weiß nicht zu weinen, wer Beweinenswertes tut, und während man über ihn Tränen vergießen müßte, hat er keine Tränen für seine Buße. Wer aber seinen Leib in Zucht nimmt und sich selbst sorgfältig leitet, wer seufzend und klagend über das Ärgernis seines früheren Falles fragt, wie er ihn mit den Tränen der Buße abwasche, der netzt jede Nacht sein Bett.

Laßt uns also nicht so viele Nächte verschlafen, sondern einen großen Teil davon auf Schriftlesung und Gebet verwenden.

Ambrosius – Anweisung zum Gebet

Auf göttliche Weise hat dich der Herr Jesus die Güte des Vaters gelehrt, der Gutes zu geben weiß, damit du von dem Guten forderst, was gut ist. Er hat dich ermahnt, dringend und häufig zu bitten, daß du nicht ein widerwilliges Gebet in die Länge ziehen sollst, sondern häufig und dringend beten. Bei einem langen Gebet werden meistens unnütze Worte verschwendet, wenn man aber aussetzt, so schleicht sich vollends die Sorglosigkeit herein. Ferner ermahnt er, wenn du für dich Verzeihung forderst, daß du sie vo allem auch andern zu schenken weißt, damit du deine Bitte durch die Stimme deines Werks empfehlen kannst. Auch der Apostel lehrt, daß ohne Zorn und Streit zu beten sei, daß dein Gebet nicht verwirrt noch verfälscht werde. Auch lehrt er, überall zu beten, da der Herr sagt: „Tritt ein in dein Kämmerlein.“ Aber verstehe unter dem Kämmerlein nicht ein von Wänden umschlossenes, um deine Glieder einzuschließen, sondern das Kämmerlein, das in dir ist, wo deine Gedanken eingeschlossen sind, wo deine Sinne weilen. Dieses Gebetskämmerlein hast du überall bei dir, und es ist überall geheim, und sein Richter ist Gott allein.

De Cain et Abel 1,38

Ambrosius – Fühlbare Gegenwart Gottes im Gebet

Die Seele des Gerechten ist die Braut des Wortes Gottes. Wenn sie wünscht, begehrt und betet, wenn sie inständig betet, wenn sie betet ohn allen Zweifel, wenn sie sich ganz dem Wort entgegenstreckt, dann glaubt sie alsbald, dessen Stimme zu hören, den sie nicht sieht, und mit ihrem innersten Sinn spürt sie die Gegenwart seiner Gottheit. Das erfahren meist die, die recht glauben. Der Atem ihrer Seele wird plötzlich von geistlicher Gnade erfüllt, und die Seele fühlt, wie sie den Hauch der Gegenwart dessen einatmet, den sie sucht, und sie spricht: Siehe, er ist selbst da, den ich suche, er selbst, den ich ersehne.

Expositio in Ps. 118 6,8

Hermann Bezzel – Worum soll man beten?

Bittet Gott um ein schweigsames Herz, in das ihr eure Sorge begrabt, und aus dem ihr euer Gebet vor ihn bringt!

Nicht Gaben, nicht Kräfte, nicht Gnaden, nicht Schätze schenke dieser Gemeinde, sondern eine Liebe, die sich in deine Schranken fügt, und einen Gehorsam, der sich überwindet! Dann wird es einst heißen: Ihr habt mich geliebt; denn ihr seid bei mir beharret. Und wir werden sagen : Deine Gebote sind nicht schwer gewesen dem, der dich liebte.

Im Gehorsam zeigt die Liebe ihre große, im Verzicht ihre höchste Kraft.

Wer etwas Kirchengeschichte erlebt hat, der soll nicht eine Einigung, die von Menschen ausgeht, ersehnen. Wir haben diese Einigung in Deutschland vielmals gewollt, und ich habe den guten, treuen Willen immer dankbar geehrt, aber so gewiß der Mensch nicht scheiden soll, was Gott zusammengefügt hat, so gewiß soll er nicht zusammenfügen, was Gott schied.

Jakob Vetter – Über das Gebet

Wie gelangt man zu einem rechten Gebetsleben? Ein Gebetsleben ist ein Leben mit Gott, aus Gott, in Gott und für Gott. Das ist nur möglich bei wahrhaft Wiedergeborenen. Ich muß das voraussetzen, damit ich nicht mißverstanden werde. Um Gebetserhörungen zu erleben, braucht man kein Kind Gottes zu sein. Gott erhört auch die unbekehrten Sünder, ja, selbst die Raben, die zu ihm schreien. Ein Gebetsleben aber können nur die führen, die dem Reich der Finsternis entrückt und in das Lichtreich versetzt sind. Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Wer mit dem Vater des Lichts Gebetsumgang haben will, muß gewaschen sein von seinen Sünden. — Unser ganzes Leben muß in seiner Gegenwart in Ordnung gebracht sein. Das ist ganz natürlich. Und wie es gilt, den Herrn mit sich reden zu lassen im innern Gericht, in verborgener Geisteszucht, so gilt es auch, ihn reden zu lassen im äußeren Gericht, in dem, was unser Lebensweg Dunkles, Bitteres und Schweres mit sich führt. — Dieses und vieles andere gehört dazu, um ein Gebetsleben leben zu können. Laß es dich nicht verdrießen, wenn du nicht gleich in den ersten Tagen oder Wochen zu einem solchen Gebetsleben durchdringst! Wenn auch dein Gebetsumgang mit Gott hundertmal unterbrochen wurde, laß dich durch keine unangenehmen Erfahrungen entmutigen! Der Schade einer Unterbrechung deines Gebetslebens ist groß; aber noch schlimmer ist es, wenn du nach solcher Unterbrechung nicht sogleich wieder zu deinem Gott zurückkehrst.

Eduard Graf von Pückler – Die Hauptsache

„Die Hauptsache ist jetzt für alle, die Zeit haben, sich dem Gebet mit großer Inbrunst zu widmen. Wir sollten viel beten, daß das Reich Gottes zu uns und zu unserm Volk komme. Entweder wir treten jetzt in den Riß für unser ganzes Volk, oder wir gleichen nicht Abraham noch Nehemia noch all den Seelen, auf deren Gebet hin Gott einem ganzen Volke Rettung und neues Heil schicken konnte in schwerster und allerschwerster Zeit. Gott sucht auch jetzt, ob jemand sich zur Mauer mache und in den Riß trete vor ihn für das Land, auf daß er es nicht verderbe.“

Tersteegen, Gerhard – Was ist Beten?

Keine Kunst in der ganzen Welt ist einfältiger und leichter als recht beten; ja, es ist gar keine Kunst. Und wenn wir meinen, wir könnten nicht beten, das ist ein Zeichen, daß wir noch nicht recht verstehen, was Beten ist. Beten ist, den allgegenwärtigen Gott ansehen und sich von ihm besehen lassen. Was ist nun leichter und einfältiger, ah die Augen aufzutun und das Licht anzusehen, welches uns von allen Seiten umgibt? Gott ist uns weit mehr gegenwärtig als das Licht. In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir. Er durchdringt uns, er erfüllt uns, er ist uns näher, als wir uns selber sind. Dieses einfältig zu glauben und sich dessen einfältig, so gut man kann, zu erinnern, das ist Beten. Und wie sollte es auch schwer fallen, sich von einem so gütigen Arzt besehen zu lassen, der schon besser weiß, was uns fehlt, als wir selber wissen!

Wir haben nicht nötig, dieses oder jenes zu bringen, uns so oder anders zu stellen oder allemal viel zu sehen und zu empfinden, wenn wir beten wollen, sondern wir sollen’s nur einfältig und kurz sagen, wie wir sind, und wie wir gern sein wollten. ]a, es ist eben nicht allezeit nötig, daß wir’s sagen, sondern wir sollen’s den allgegenwärtigen, gütigen Gott nur sehen lassen. Aber nicht so obenhin, sondern wir sollen so einige Zeit bei ihm und vor ihm zu bleiben trachten, damit er uns gleichsam recht besehen und heilen möge. Wir müssen ihm nichts andres sagen noch sehen lassen, als was in uns ist, es mag nun sein, was es wolle. Findest du dich nun zerstreut, dunkel, unempfindlich, so sage es Gott einfältig und laß ihn dieses Dein Elend sehen, so hast Du recht gebetet. . . Verleugne viel Deinen eignen Willen und Lüste, so wirst Du im Gebet leicht zurechtkommen, welches der Herr in Deiner und meiner Seele durch seine Gnade wirken wolle!

Alfred Christlieb – Über Jaebez

Unter den vielen Namen, die in den Geschlechtsregistern an uns vorbeiziehen, wird eine Person uns näher bekannt gemacht. Das ist Jaebez. Weshalb dieser gerade? Weil er ein Mensch war, der mit Gott im Umgang stand. Unter den Scharen von Menschen, deren Namen in diesen Kapiteln genannt werden, waren gewiß auch manche, die Tüchtiges geleistet haben. Über sie geht die Geschichte des Gottesreiches hinweg, ohne etwas von ihren Leistungen zu erwähnen. Aber bei einem Beter bleibt sie stehen. Das ist im Licht der Ewigkeit wichtig.

Wenn der Herr auf einen Ort blickt, in dem viele Menschen schaffen und wirken, so ist ihm das stille Zimmer, in dem ein wahrer Beter weilt, wichtiger als hundert Paläste.