d’Espagne Jean – Zwei Frauen

Zwo Weiber haben wider ihre Jahre und wider allen Anschein geboren; die eine im Alten Testamente, nämlich Sara: die andre im Neuen, nämlich Elisabeth: Die eine hatte den Abraham zum Mann, der zuerst die Beschneidung verrichtete, die andre war die Mutter Johannis, der zuerst taufte (zur Vergebung der Sünden.) Gott wollte, daß Isaac und Johannes der Täuffer von Müttern geboren würden, die nicht mehr in den Jahren waren, da man sonst zu gebären pflegt; die Menschen sollten vorbereitet werden, ein noch größeres Wunder zu erblicken, den Sohn einer Jungfrau.

d’Espagne, Jean – Gottes Erbarmen mit den Abtrünnigen

Aus dem Französischen übersetzt

Wir finden in der heiligen Schrift vier merkwürdige Beyspiele von großen abtrünnigen Sündern, die Gott in ihr voriges Amt völlig wieder eingesetzt, und sie nachher, wie vorher, gebraucht hat; einen Hohenpriester, einen Propheten, einen König, und einen Apostel. Aaron, Jonas, Manasse und Petrus.

  • Aaron hatte sich zum Werkzeuge der schändlichsten Abgötterey brauchen lassen, wurde aber zu seiner vorigen Würde von Gott erhoben.
  • Jonas hatte seinen Beruf verlassen, ward aber dennoch wieder gebraucht.
  • Manasse hatte die ganze Stadt Jerusalem mit unschuldigem Blute erfüllet, und dem Teufel gedient, verlor darüber sein Königreich, fand aber Gnade bey Gott, und bestieg den Trhon wieder.
  • Petrus hatte den Heiland dreymal verleugnet, ward aber durch einen dreymaligen Auftrag wieder zum Apostel bestellt.

Man könnte noch mehrere Beyspiele anführen; Diese sind aber die auffallendsten. Die Gnade Gottes wollte diese Sünder in ihre erhabenen Aemter wieder einsetzen, um an diesen Beyspielen zu zeigen, daß kein Fall eines Kindes Gottes so schwer sey, daß es nicht wieder aufgerichtet, und eben so, wie vor seinem Falle, gebraucht werden könnte.

d’Espagne, Jean – Engel

 

Aus dem Französischen übersetzt

 

Die Engel haben dem Heiland besonders viel gedient:

 

  • Ein Engel verkündigte der Maria seine Geburt.
  • Ein Engel bedeutete den der Maria wegen bedenklichen Joseph.
  • Engel verkündigten des Heilands Geburt den Hirten.
  • Engel veranstalteten seine Flucht nach Egypten.
  • Engel bestellten die Rückreise.
  • Die Engel dienten ihm in der Wüste.
  • Ein Engel stärkte ihn, in seinem Todeskampfe im Garten.
  • Engel wälzten den Stein vom Grabe Jesu.
  • Engel verkündigten seine Auferstehung;
  • Engel haben versprochen, er werde eben so wieder kommen, wie er gen Himmel fuhr.

 

Allerdings: Man findet nie, daß ein Engel in Gegenwart des Heilandes geredet hat.

d’Espagne, Jean – Ein Bild von Gott

Aus dem Französischen übersetzt

Die Menschen stellen sich Gott immer ganz anders vor, als er wirklich ist. Sie bilden sich ein, Gott sey, wie sie sind. Ein leichtsinniger Mensch denkt: Gott wird ja nicht alles so genau nehmen, weil er, der Mensch, nicht alles so genau nimmt. Ein anderer glaubt, Gott sey hart, vergebe nicht gern u.s.w. weil er, der Mensch, es so macht. Gott spricht zum Gottlosen: Du meinest, ich werde seyn, gleich wie du.

So weit geht die Bosheit der Menschen. Wenn jemand auch keine deutlichen und klaren Gott entehrenden Vorstellungen in der Seele findet, so liegt der Keim davon in aller Herzen; die Vorstellungen bilden sich halb, und halb werden sie oft unterdrückt. Der erste Mensch, von dem wir diese Unart haben, dachte, Gott sey neidisch gegen ihn, und wollte glücklicher werden; wurde aber unglücklich.

Wenn man Gott kennen lernen will, so muß man ihn nicht durch das gefärbte Glas unsrer Launen ansehen.

Comenius, Johann Amos – Aus der „Stimme der Trauer“

Wir hören, daß der Herr nur die Verwundeten heilt, nur den Toten Leben gibt und von der Hölle nur die erlöst, die da hinabgeworfen sind (1. Sam. 2). So laßt uns denn willig das aufnehmen, was er verlangt, und wenn es sein Wille ist, uns zuerst zu verwunden, uns zu schlagen, uns in die Hölle hinabzuschleudern – sein Wille geschehe; inzwischen erwarten wir, daß wir ganz gewiß, hier oder in der Ewigkeit, geheilt werden, in den Himmel gebracht werden! Auch unser Herr, der einen unsagbar qualvollen, schändlichen, elenden Tod zu erdulden hatten, tröstete sich damit, daß das Weizenkorn, wenn es nicht stirbt, allein bleibt, aber wenn es stirbt, eine reiche Ernte hervorbringt. Deshalb, wenn aus seinen Wunden Heilung geflossen ist, aus seinem Tod Leben, und seine Hölle Himmel und Heil gebracht hat, warum sollten nicht auch wir, die kleinen Weizenkörner, sterben, wenn Gott will? Wenn das Blut der Märtyrer und auch unser Blut der Same der Kirche sein soll, daß danach die Gottesfürchtigen zunehmen, ach, so laßt uns unter Tränen die köstliche Saat ausstreuen, daß wir mit Freude die Garben einbringen. Gott wird nicht zerstören, ohne wieder aufzubauen. Er macht alles neu. Gott weiß, was er tut, wir müssen ihm zutrauen, daß er niederreißt und aufbaut wie er will. Es tut es nicht sinnlos, etwas Großes liegt in allem verborgen. Die ganze Schöpfung unterliegt Gottes Willen, auch wir, ob wir verstehen, was er tut oder nicht. Für sein Tun bedarf er unsres Rates nicht.

Comenius, Johann Amos – Aus: „Eins ist not“

Die große Zahl von Lehrern ist die Ursache für die Vielzahl von Sekten, für die wir bald keine Namen mehr wissen. Jede Kirche betrachtet sich selbst als die wahre oder zumindest als den reinsten, wahrsten Teil davon, während sie einander mit bitterstem Haß verfolgen. Man kann auf keine Versöhnung zwischen ihnen hoffen; sie begegnen Feindschaft mit unversöhnlicher Feindschaft. Aus der Bibel fälschen sie ihre unterschiedlichen Glaubensbekenntnisse; diese sind ihre Festungen und Bollwerke, hinter denen sie sich verschanzen und allen Angriffen widerstehen. Ich will nicht sagen, daß diese Glaubensbekenntnisse – denn solche sind es zugegebenermaßen in den meisten Fällen – in sich schlecht sind. Sie werden es aber dadurch, daß sie das Feuer der Feindschaft nähren; nur wenn man sie alle beseitigte, wäre es möglich, an die Heilung der Wunden der Kirche zu gehen. … Zu diesem Labyrinth von Sekten gehört etwas andres: die Liebe zum Streitgespräch. … Was wird damit erreicht? Ist auch nur ein einziger Gelehrtenstreit jemals beigelegt worden? Nie. Ihre Zahl ist nur gewachsen. Satan ist der größte Wortverdreher; im Wortgefecht ist er noch nie besiegt worden. … Im Gottesdienst hört man gewöhnlich mehr auf Menschenworte als auf Gottes Wort. Jeder schwätzt wie es ihm beliebt oder schlägt die Zeit mit gelehrten Untersuchungen oder mit Widerlegung andrer Ansichten tot. Über die Wiedergeburt und wie ein Mensch in das Bild Christi umgestaltet werden muß, um Teilhaber der göttlichen Natur zu werden (2. Petrus 1,4), wird kaum etwas gesagt. Von der Schlüsselgewalt hat die Kirche die Gewalt zu binden fast verloren, es bleibt nur die Gewalt zu lösen. … Die Sakramente, als Symbole der Einheit, der Liebe und unsres Lebens in Christus gegeben, sind zum Gegenstand bitterster Feindschaft geworden, Ursache gegenseitigen Hasses, Ausgangspunkt für Sektiererei. … Kurz, die Christenheit ist ein Labyrinth geworden. Der Glaube wurde in tausend kleine Teile zersplittert, und man macht dich zum Ketzer, wenn du eins davon nicht annimmst. … Was kann helfen? Nur das „Eine, was nötig“ ist: Rückkehr zu Christus, Aufblick zu Christus, unserm alleinigen Führer, und das Wandeln in seinen Fußstapfen, daß wir alle andern Wege außer acht lassen, bis wir alle das Ziel erreichen und zur Einheit des Glaubens gelangen (Eph. 4,13). Da der himmlische Meister alles auf das Fundament der Schrift baut, sollten wir alle Eigenheiten unsrer besonderen Bekenntnisse lassen und mit dem geoffenbarten Wort Gottes zufrieden sein, das uns allen gehört. Mit der Bibel in der Hand sollten wir ausrufen: Ich glaube, was Gott in diesem Buch geoffenbart hat; ich will gehorsam seine Gebote halten; ich hoffe auf das, was er verheißen hat. Christen, hört! Es gibt nur ein Leben, aber der Tod kommt in tausend Gestalten zu uns. Es gibt nur eine Wahrheit, aber der Irrtum hat tausend Formen. Es gibt nur einen Christus, aber tausend Antichristusse … So weißt du denn, o Christenheit, um das „Eine, was nötig“ ist. Entweder kehrst du um zu Christus, oder du verfällst dem Untergang wie der Antichrist. Wenn du weise bist und leben willst, folge dem Lebensfürsten. … Ihr aber, Christen, freut euch, daß ihr aufgehalten wurdet, … hört die Worte eures himmlischen Führers: „Kommt zu mir!“ … Antwortet mit einer Stimme: „Ja, wir kommen.“

Comenius, Johann Amos – Allgemeiner Richtweg für den menschlichen Verstand

Gott hat bezeugt, daß er das A und das O ist, der Anfang und das Ende von allem. – Den Augen der meisten ist das verschlossen: mit uns selbst beginnen wir, durch uns selbst schreiten wir fort, auf uns selbst richten wir unser Streben. Wir beginnen mit dem Vertrauen auf uns, wir verlassen uns auf unsere Kräfte und unser Licht, wir trachten nach unserem Vorteil und unserem Ruhm. Daher kommen wir von uns wieder auf uns zurück und lassen uns durch die Nichtigkeit der Kreaturen bald von hier, bald von dort fortziehen und hinreißen, bis wir auch selbst zu einem eitlen Nichts werden. Das ist der tieftraurige Weg allen Fleisches, auf dem gerade die Weisesten zu ihrem Unglück von Gott abirren.

Nach Wiederherstellung des Friedens für die christliche Welt würden nicht nur alle christlichen Völker durch das Streben nach wahrer Weisheit und Frömmigkeit aufblühen, sondern auch die Ungläubigen durch dasselbe Licht erleuchtet und, wenn dieser Weg voll Wahrheit durch Gott erschlossen wäre, in die Arme des Christentums geführt werden können. – Aber darf man dies so erhoffen? Jedenfalls darf man die Hoffnung nicht aufgeben, wenn nur dieser allgemeine Richtweg für den menschlichen Verstand angelegt wird, auf dem der Geist der Menschen in hellem Lichte auf nirgends unterbrochenen Stufen von den Grundlagen der Dinge bis zu ihren Höhepunkten ohne Irrtum geführt werden kann.

Claudius, Matthias – Der Heiland

Wer nicht an Christum glauben will, der muß sehen, wie er ohne ihn raten kann. Ich und du können das nicht. Wir brauchen jemand, der uns hebe und halte, weil wir leben, und uns die Hand unter den Kopf lege, wenn wir sterben sollen. Und das kann Er überschwenglich tun, nach dem, was von ihm geschrieben steht; und wir wissen keinen, von dem wir’s lieber hätten.

 

Claudius, Matthias – Paraphrasis Evangelii Johannis

Ich habe von Jugend auf gern‘ in der Bibel gelesen, für mein Leben gern. ’s stehn solche schöne Gleichniß und Räthsel d’rinn, und ’s Herz wird einem darnach so recht frisch und muthig. Am liebsten aber les‘ ich im Sanct Johannis. In ihm ist so etwas ganz wunderbares – Dämmerung und Nacht, und durch sie hin der schnelle zückende Bliz! ’n sanftes Abendgewölk und hinter dem Gewölk der grosse volle Mond leibhaftig! so etwas schwermüthiges und hohes und ahndungsvolles, daß mans nicht satt werden kann. ’s ist mir immer beym Lesen im Johannis, als ob ich ihn beym lezten Abendmahl an der Brust seines Meisters vor mir liegen sehe, als ob sein Engel mir’s Licht hält, und mir bey gewissen Stellen um den Hals fallen und etwas ins Ohr sagen wolle. Ich versteh lang nicht alles, was ich lese, aber oft ists doch, als schwebt‘ es fern vor mir, was Johannes meynte, und auch da, wo ich in einen ganz dunklen Ort hinein sehe, hab ich doch eine Vorempfindung von einem grossen herrlichen Sinn, den ich ’nmahl verstehen werde, und darum greiff‘ ich so nach jeder neuen Erklärung des Johannes. Zwas die meisten kräuseln nur an dem abendgewölke, und der Mond hinter ihm hat gute Ruhe.

 

Des Herrn Verfassers Erklärung ist sehr gelehrt, dünkt mich, und ich glaube, daß man wohl zwanzig Jahr studieren muß, ehe man so eine schreiben kann.

Claudius, Matthias – Am Karfreitagsmorgen

Bin die vorige Nacht unterwegs gewesen. Etwas kalt schien einem der Mond auf den Leib, sonst war er aber so hell und schön, daß ich recht meine Freude dran hatt‘, und mich an ihm nicht konnte satt sehen. Heute Nacht vor tausend acht hundert Jahren schienst du gewiß nicht so, dacht‘ ich bey mir selbst; denn es war doch wohl nicht möglich, daß Menschen im Angesicht eines so freundlichen sanften Mond’s einem gerechten unschuldigen Mann Leid thun konnten!