Eberlin von Günzburg – Über das Klosterleben

„Nur auserwählte Menschen können den Jammer und die Versuchungen des Klosterlebens aushalten, und die Eltern sollen es deshalb wohl überlegen, ehe sie ihre Töchter, etwa nur aus Scheu vor einem armen Mann, ins Kloster stecken. Viele Eltern bereuen es genug, dass sie ihre Tochter, anstatt sie einem Bauern in die Ehe zu geben, an den Bratspieß des Klosterlebens geliefert und so die Hölle an ihr verdient haben. Wenn ärmere Eltern ihre Töchter bis zum heiratsfähigen Alter in ein Kloster tun wollen, ohne deren Freiheit in ewige Ketten zu schlagen, kann ich nicht widerraten; denn das Kloster kann für Manche eine gute Schule der Zucht werden. Freilich wissen die meisten Klosterfrauen nichts von der Bibel, deren Lektüre doch ihre erste Beschäftigung sein sollte, sondern nichts als die Tandmähre der Legenden und anderes Pfaffengeschwätz. Der Unverstand aber zieht alle Laster nach sich; denn wie die Speise, so wird auch das Fleisch. Darum behalte deine Tochter lieber bei dir, lass sie mäßig arbeiten, Gottes Wort hören, beten. Dein Kind selbst zu erziehen ist deine Pflicht, deren Erfüllung dir Gott, auch wenn du arm bist, so du nur zu ihm betest, schon wird gelingen lassen. Soll es aber im Kloster können selig werden, so darf es die drei Gelübde (des unbedingten Gehorsams gegen die geistlichen Oberen, der vollständigen Enthaltung von allem irdischen Besitz und der Ehelosigkeit) nicht ablegen. Die Hebefenster (d. h. die Gitter, durch welche allein die Nonnen mit der Außenwelt verkehren durften) soll man aufreißen, damit man die Nonnen sehen, und ein etwaiger Freier sie begrüßen kann. Einlass ins Kloster soll jedoch kein Mann bekommen. Wird aber einem eine solche ehrbare Klosterjungfrau zur Ehe, so soll er das für eine besondere Gnade ansehen und sie gut halten. Die Andachtsübungen in den Klöstern sollen kurz und leicht sein, die gegenwärtigen Statuten der Frauenklöster sind überhaupt zu hart, ja sie sind – widersinnig genug – härter als die der Mönchsorden. Müssen doch die armen Nönnlein oft für die Mönche sieden und braten, selbst aber fasten, und während die Mönche als Neuigkeitskrämer überall herumlaufen, dürfen die Nonnen nicht einmal zu ihren Eltern.“