Adolf von Harnack – Wider allen Pessimismus

Meine erste Mauer wider allen Pessimismus lautet: Herr, ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du an deinen Knecht getan hast. Meine zweite Mauer lautet: Wenn man es mit sich selbst ernsthaft nimmt, darf man das Leben leicht nehmen und bald lachen und bald sprechen: vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Meine dritte Mauer endlich lautet: Noch gibt’s Leute, denen ich etwas sein kann, denen ich den Horizont heller, den Sinn aufgeschlossener, und das Herz frischer machen kann – und sei es nur ein einziger, sei es nur ein Kind. Mit diesen drei Mauern können Sie sich gegen eine See von Platzregen schützen und den freudigen Mut bewahren, der die Grundbedingung der Existenz ist, ja sie selber.

Adolf von Harnack – Das Leben

Das Leben ist ernst, wenn man auf die Stunde sieht, denn jede Stunde verlangt, daß man das Beste in ihr tut. Das Leben ist heiter, fröhlich, groß, wenn man auf das Ganze sieht, denn wir sind hineingestellt in einem Zusammenhang, in dem es aufwärts geht. Daß dieses jedem Mitglied des Seminars immer einleuchtender werde, und daß alles, was ihn niederhält, immer mehr abgestreift werde und er immer fröhlicher und zuversichtlicher werde in der Zuversicht, einen großen Gang hinaufzugehen und zu erkennen, daß die Leiden hier auf Erden der Herrlichkeit droben nicht wert sind – das ist mein Wunsch für sie!

Harnack, Adolf – Wert der Religion

Die Religion, nämlich die Gottes- und Nächstenliebe ist es, die dem Leben einen Sinn gibt; die Wissenschaft vermag das nicht. – Es ist eine herrliche Sache um die reine Wissenschaft, und wehe dem, der sie gering schätzt oder den Sinn für die Erkenntnis in sich abstumpft! Aber auf die Fragen nach dem woher, Wohin und Wozu gibt sie heute sowenig eine Antwort wie vor zwei- oder dreitausend Jahren. Wohl belehrt sie uns über Tatsächliches, deckt Widersprüche auf, verkettet Erscheinungen und berichtigt die Täuschungen unserer Sinne und Vorstellungen. Aber wo und wie die Kurve der Welt und die Kurve unseres eigenen Lebens beginnt – jene Kurve, von der sie uns nur ein Stück zeigt – und wohin diese Kurve führt, darüber belehrt uns die Wissenschaft nicht. Wenn wir aber mit festem Willen die Kräfte und Werte bejahen, die auf den Höhepunkten unseres inneren Lebens als unser höchstes Gut, ja, als unser eigentliches Selbst ausstrahlen, wenn wir den Ernst und den Mut haben, sie als das Wirkliche gelten zu lassen und nach ihnen das Leben einzurichten, und wenn wir dann auf den Gang der Geschichte der Menschheit blicken, ihre aufwärts sich bewegende Entwicklung verfolgen und strebend und dienend die Gemeinschaft der Geister in ihr aufsuchen – so werden wir nicht in Überdruß und Kleinmut versinken, sondern wir werden Gottes gewiß werden, des Gottes, den Jesus Christus seinen Vater genannt hat, und der auch unser Vater ist.

Der Weg zum Glück
Ein Hausbuch für die christliche Familie
von Pfarrer Gustav Hofelich
C. Rieger’sche Verlagsanstalt. Stuttgart – München