Christus hat positiv und geradezu erklärt, dass Seinen Vater Niemand anrufen könne, als die Kinder Gottes: dass also: wer das Vater Unser beten will, und kein Kind Gottes ist, den Namen des Herrn seines Gottes unnützlich führt, und fällt ins Gericht des andern Gebotes. Er hat erklärt, dass Er Seines Vaters Namen Niemand eröffnet habe als Seinen Brüdern, die von Seinem Vater erst gezeuget, von dem heiligen Geiste geboren, und Ihm hernach angetraut worden; denen hat Er ausschließend davon gesagt. Denn da die Jünger kamen und sagten: Herr! lehre uns beten; so antwortete Er im Gegensatz der Jünger Johannis: Ihr aber sollt sagen: Unser Vater, der du bist rc. Dies macht das Gebet des Herrn zu einem eigentlichen Gebet der Kinder Gottes, welches beten zu dürfen eine der größten Gnaden ist, ein Privilegium, das man erst durch die Begründung seiner eigenen Seligkeit, durch seine eigene Begnadigung und Absolution von allen Sünden erlangt. Du sollst also das Vater Unser nicht leichtsinnig daher schwatzen, sondern dem Gott, der uns vom zukünftigen Zorn erlöst hat, Jesu Christo zu Füßen fallen, und die unschätzbare Gnade in der Ordnung holen, dass du Abba sagen darfst mit Jesu Christo.
Schlagwort: Gebet
Nikolaus von Zinzendorf – Gespräch mit Gott
Wir legen uns ihm alle Tage dar, wie wir sind; wir weinen uns in seinen Schoß, und entladen uns bei Ihm von allem, was drückt, wir sagen Ihm alles, was uns erfreulich oder betrübend ist. Dies ist das Mittel, wie man sich erhalten kann bei dem großen natürlichen Verderben, das durch eine unglückselige Erbschaft auf uns gekommen ist, und sich dem ganzen menschlichen Geschlechte mitgeteilt hat, und davon wir nicht los werden, bis wir von der Erde genommen, und in den Schoß, nicht Abrahams, sondern unseres Heilandes getragen werden. Dann können wir uns gratulieren über die totale (gänzliche, vollkommene) Erlösung von dem Leibe der Sünde und dem natürlichen Elend, das wir nicht aufhören zu beweinen, bei aller Freude, die wir über Seine Nähe und der Gewissheit unserer Seligkeit empfinden.
Holl, Karl – Übers Gebet
An zwei Dingen hängt alles: am Gebet und an der Liebe. Das sind die tiefsten Kräfte, die den Menschen umbilden, je treuer er sie übt. Wirkliches Beten will gelernt sein. Und man lernt es nicht vom Bitten, sondern vom Danken aus. Es gibt Augenblicke, in denen Gottes Güte uns besonders nahe tritt. Jeder, der sein Leben überdenkt, weiß das. Da lüftet sich etwas wie ein Schleier. Solche Eindrücke muß man festhalten. Als neueer Mensch kommt man aus jedem Dankgebet heraus. Diese hellen Punkte sind und bleiben die Lichtquellen, von denen aus sich das Dunkel hebt. – Die Augenblicke des Stehenbleibens vor Gott sind die, wo man Kraft schöpft, wo man Atem holt aus der jenseitigen Welt. Sich an Gott halten heißt atmen in Gott, in jedem Augenblick wissen, daß man zu ihm gehört und unter ihm steht.
Ferdinand von Zeppelin – Über das Gebet
Das Gebet scheint mir eine Waffe zu sein, die uns der liebe Gott selbst geschenkt hat, um nach seiner Verheißung durch unsern teuren Heiland und Erlöser den Teufel, die Pforten der Hölle, zu überwinden und uns das Himmelreich zu erkämpfen.
Immanuel Gottlieb Kolb – Vom Gebet
Im Anfang, wenn der innere Mensch noch schwach ist, will auch das Beten noch nicht recht gehen; dann ist es wie bei einem Pumpbrunnen, wo das Wasser mühsam heraufgebracht werden muß. Nach und nach geht es etwas leichter, daß es wie ein laufender Brunnen von selbst fließt; und eindliich wird das Beten zum dringenden Bedürfnis, so daß es springbrunnenartig aufwärts steigt.
Heinrich Pestalozzi – Beten
Dafür ist alles Beten, daß einem das Herz im Leib gegen Gott und die Menschen immer dankbar bleibe; und wenn man recht betet, so tut man auch recht, und wird Gott und Menschen lieb in seinem ganzen Leben.
Gerhard Tersteegen – Über viele Worte
Betet viel und redet wenig. Der Schwätzgeist ist eine Zerstörung aller christlichen Zusammenwohnungen, eine Auslöschung der Andacht, eine Verwirrung der Gemüter, eine Verschwendung der Zeit, eine Verleugnung der göttlichen Gegenwart. – Viele Worte sind ein Zeichen meist von einem noch zerstreuten Geist: Wer Gott kommt nah, der lernet schweigen und sich in stiller Ehrfurcht beugen.
Sixtus Karl Kapff – Das Gebet
Das Gebet ist die Himmelfahrt des Geistes. Wie der Sohn Gottes sichtbar gen Himmel gefahren, so soll ein Kind Gottes täglich sich erheben dahin, wo er ist. Darum müssen wir austreten aus der Welt und dem, was in der Welt ist, uns emporschwingen über die Erde und auch ihren Staub von unsern Füßen schütteln. So entfesselt und frei kann der Geist aufsteigen zu seiner Heimat und sehen das Antlitz seines Vaters im Himmel. Aber nur im Sohn sehen wir den Vater; denn ohne den Sohn müssen wir sterben in unseren Sünden und zittern und beben vor dem Richter. Der Sohn allein ist der Weg zum Himmel und die Wahrheit und das Leben des Geistes. So ist zum Gebet das erste, daß wir Jesum Christum vor Augen und im Herzen haben. Das heißt beten: reden mit Jesu und durch ihn mit dem Vater, reden wie ein Kind über alles, was uns bewegt, über das Kleinste wie über das Größte, denn vor Gott ist nichts klein, das Kleine ist vor ihm groß und das Große klein.
Isaac Watts – Über das Gebet
Es gibt wahrhaftig etwas wie ein Gespräch mit Gott im Gebet, und das ist die Freude und das Leben einer frommen Seele; ohne das Gebet sind wir keine Christen, und der, der es am meisten übt, ist der beste Nachfolger Christi; denn unser Herr selbst verbrachte viel Zeit im Gespräch mit seinem himmlischen Vater. Dies ist Balsam für die kranken Seelen.
Johann Institor – Anweisung zum Gebet
Bitte den Herrn nur darum demüthig, daß er dich nicht in geistlicher Dürre und Finsterniß verderben lasse, und sei sonst nicht bekümmert, was sich dir in der Zukunft ereignen könne. Denn dein Vater wird für dich in allen Stücken sorgen; er wird dir zu seiner Zeit Noth und Kämpfe senden, aber wenn es ihm gut dünkt, auch unerwarteten Trost. Er hat uns von Ewigkeit geliebt und bis hieher geholfen, wie sollte er jemals unserer vergessen, oder etwas geschehen lassen können, das nicht zu unserm Heile diente? So wollen wir ihm denn mit guter Zuversicht Glück und Unglück anheimstellen, und nur darum bitten, daß er uns vor Sünden bewahre.