So weiß und zeuge ich wahrhaftig, daß der heilige Mann Gottes Lutherus, welcher deutscher Nation Prophet und Apostel gewesen, zu der Musica im Choral- und Figuralgesänge große Lust hatte, mit welchem ich gar manche liebe Stunde gesungen und oftmals gesehen, wie der theure Mann vom Singen so lustig und fröhlich im Geist ward, daß er des Singens schier nicht konnte müde und satt werden und von der Musika so herrlich zu reden wußte. Denn da er vor vierzig Jahren (1524) die deutsche Messe zu Wittenberg anrichten wollte, hat er durch seine Schrift an den Churfürsten zu Sachsen (Friedrich) und Herzog Johann hochlöblicher Gedächtniß seiner Churfürstl. Gnaden der Zeit alten Sangmeister Ehren Conrad Rupf und mich gen Wittenberg erfordern lassen, dazumal von der Choralnoten und Art der acht Töne Unterredung mit uns gehalten, und beschließlich hat er von ihm selbst die Choralnoten octavi toni der Epistel zugeeignet und sextum tonum dem Evangelio geordnet, und sprach also: Christus ist ein freundlicher Herr und seine Reden sind lieblich, darum wollen wir sextum tonum zum Evangelio nehmen; und weil St. Paulus ein ernster Apostel ist, wollen wir ovtavum tonum, zur Epistel ordnen; hat auch die Noten über die Episteln, Evangelia und über die Worte der Einsetzung des wahren Leibes und Blutes Christi selbst gemacht, mir vorgesungen und mein Bedenken darüber hören wollen. Er hat mich die Zeit drei Wochen lang zu Wittenberg aufgehalten, die Choralnoten über etliche Evangelien und Episteln ordentlich zu schreiben, bis die erste deutsche Messe in der Pfarrkirche gesungen ward. Da mußte ich zuhören und solcher ersten deutschen Messe Abschrift mit mir gen Torgau nehmen und hochgedachtem Churfürsten ihrer Churfürstl. Gnaden auf Befehl des Herrn Doktoris selbst überantworten. Denn er auch die Vesper, so die Zeit an vielen Orten gefallen, mit kurzen reinen Choralgesängen für die Schüler und Jugend wiederum anzurichten befohlen; desgleichen daß arme Schüler, so nach Brod laufen, vor den Thüren lateinische Gesänge, Antiphonas und Responsoria nach Gelegenheit der Zeit singen sollten, und hatte keinen Gefallen daran, daß die Schüler vor den Thören nichts denn deutsche Lieder sangen. Daher sind diejenigen auch nicht zu loben, thun auch nicht recht, die alle lateinische christliche Gesänge aus der Kirche stoßen, lassen sich dünken, es sei nicht evangelisch oder gar lutherisch, wenn sie einen lateinischen Choralgesang in den Kirchen singen oder hören sollen. Wiederum ists auch unrecht, wo man nichts denn lateinische Gesänge vor der Gemeine singt, daraus das gemeine Volk nichts gebessert wird. Derowegen sind deutsche geistliche reine alte und lutherische Lieder und Psalmen für den gemeinen Haufen am nützlichsten, die lateinischen aber zur Uebung der Jugend und für die Gelehrten. Und siehet, höret und greifet man augenscheinlich, wie der heilige Geist sowohl in den Auctoribus, welche die lateinischen, als auch in Herrn Luthers, welcher jetzt die deutschen Choralgesänge meistentheils gedichtet und zu Melodei gebracht, selbst mitgewirkt; wie denn unter andern aus dem deutschen Sanctus (Jesaja dem Propheten das geschah) zu ersehen, wie er alle Noten auf den Text nach dem rechten Accent und Concent so meisterlich und wohl gerichtet hat, und ich auch die Zeit seiner Ehrwürden zu fragen verursacht ward, woraus und woher sie doch dies Stück oder Unterricht hätten; darauf der theure Mann meiner Einfalt lachte und sprach: Der Poet Virgilius hat mir solches gelehrt, der auch seine Carmina und Worte auf die Geschichte die er beschreibt, so künstlich appliciren kann. Also soll auch die Musica alle ihre Noten und Gesänge auf den Text richten.