Gustav Werner – Bruderliebe

Meinst du, damit sei deinem Gott gedient, daß du die Hände in den Schoß legst und deinen armen Mitbruder seinem Elend überlässest? Gott hat ihn an dich gewiesen, er rechnet darauf, daß du seinem Kinde helfest, denn er will ohne dich nichts tun. Wie mag es ihm nur sein, wenn sein Kind im Elend sitzt und er ihm nur mit dir helfen will, du aber ruhig sitzen bleibst und nur zu ihm singst und betest? Muß er nicht sagen: Was soll mir das Geplärr eurer Lieder? Sieh, dort hungert, dürstet mein Kind, gehe hin und erquicke es; es leidet bitteren Mangel, stille ihn; es ist nackend, kleide es; es wird verfolgt, verteidige es. Ich will ihm helfen durch dich! Aber deine Hand rührt sich nicht. Warum? Sie ist verdorrt, sie hat ganz verlernt, Gutes zu tun. Darum strecke deine Hand aus! Fang einmal herzhaft an, laß die Leute richten und spotten und sitz hin und mach einem Armen ein Kleid, das wird dem Herrn besser gefallen denn Opfer und Brandopfer, besser als viel Beten und Singen. Sieh dort einen kranken oder armen Mann, eine bedrängte Witfrau, die ihre Felder nicht bestellen können. Gott läßt sie ihnen nicht von Engeln bauen. Er wartet auf dich, nur deine Hand braucht er dazu, darum strecke sie aus und diene ihnen; wie du dir selbst dienest und arbeitest, so tue es auch ihnen.