Luther, Martin – Zu Ps. 130,5

Er spricht: ich habe Gottes gewartet, d. i. in diesem Geschrei und Kreuze bin ich nicht zurückgelaufen oder gezweifelt, sondern Gottes Gnade, die ich begehrt habe, deren harre und warte ich, wenn es meinem Gott gefällt, mir zu helfen. Nun sind etliche, die wollen Gott das Ziel, Weise, Zeit und Maß legen, und Ihm selbst gleich vorschlagen, wie sie sich wollen geholfen haben, und wenn sie ihnen nicht so widerfährt, verzagen sie, oder, so sie mögen, suchen sie anderweit Hilfe: diese harren nicht, sie warten Gottes nicht; Gott soll ihrer warten und alsbald bereit sein, wie sie es abgemacht haben und nicht anders. Die aber Gottes warten, die bitten Gnade, aber stellen es frei zu Gottes gutem Willen, wann, wie, wo und durch was Er ihnen helfen will; an der Hilfe zweifeln sie nicht, geben ihr auch den Namen nicht, sie lassen sie Gott taufen und nennen, und sollte es auch lange ohne Maß verzogen werden. Wer aber der Hilfe einen Namen gibt, dem wird sie nicht, denn er wartet und leidet Gottes Rat, Willen und Verziehen nicht.“

Luther – Über das 1. Gebot

Schon Monate sitze ich mit meinem Weibe und meinen Kindern über dem ersten Gebote und kann es nimmer recht erfassen und kann es nimmer recht ergründen, was für Wunder der Wahrheit und Weisheit Gottes darin. Ja, ich sehe nur an diesem Einen Gebote, wenn ich es recht bedenke, was für ein gottloser und abscheulicher Sünder ich bin, und wo Gott mir nicht in seinem Sohne alle meine Sünde gegen dies Eine Gebot vergeben, wäre ich schier verloren und müsste zur Hölle fahren.

Luther – An die Pfarrherren

Wie sollten sie nicht faul sein, wenn du schläfst und schweigst? Darum siehe darauf, Pfarrherr und Prediger! Unser Amt ist nun ein ander Ding worden; es ist nun Ernst und heilsam worden. Darum hat es nun viel mehr Mühe und Arbeit, Gefahr und Anfechtung, dazu wenig Lohn und Dank in der Welt; Christus aber will unser Lohn selbst sein, so wir treulich arbeiten. Das helfe uns der Vater aller Gnaden, dem sei Lob und Dank in Ewigkeit, durch Christum, unsern Herrn. Amen.

Martin Luther – Was ist ein Christ?

„Ein Christ ist ein Kind Gottes, ein Bruder Christi, ein Tempel des heiligen Geistes, ein Erbe des Reiches, ein Gesellschafter der Engel, ein Herr der Welt und der göttlichen Natur teilhaftig. Eines Christen Ehre ist Christus im Himmel, und Christi Ehre ist ein Christ auf Erden. Er ist ein wertes Kind Gottes, das mit der Gerechtigkeit Christi angetan, in heiliger Furcht und willigem Gehorsam vor seinem Vater wandelt. Er scheint als ein Licht in der Welt, und als eine Rose unter Dornen. Er ist ein wunderschönes Gnadengeschöpf Gottes, über welches sich die heiligen Engel erfreuen und es allenthalben mit Freuden begleiten. Er ist ein Wunder der Welt, der Teufel Schrecken, eine Zierde der Kirche, ein Verlangen des Himmels; sein Herz ist voll Feuer, seine Augen voll Wasser, der Mund voll Seufzer und die Hände voll guter Werke.“

Luther – Zehn Gebote

Ich bin ein neuer Schüler der zehn Gebote Gottes worden, werde nun wieder zu einem Kind und lerne sie von Wort zu Wort und sehe, dass es wahr ist, dass seine Weisheit ohne Zahl ist; und habe angefangen also zu urteilen, dass in den zehn Geboten das Evangelium aufs Kürzeste und im Evangelium die zehn Gebote aufs Reichlichste herausgestrichen werden, auch dass Christus alles das hat, was in Mose stehet, aber Moses nicht alles hat was Christus hat.

Luther – Über Johannes 3,16

Dieser Text ist mir herzlich lieb, denn bereits im l2ten Jahre meines Alters habe ich solche Worte zu meinem Leichentext erwählt, hat mich auch noch nicht gereut. Ich trete mit Freuden auf die Kanzel, so oft ich diesen edlen Spruch erklären und also mir selber die Leichenpredigt halten soll.

Martin Luther – Über die Geschichte

Die Geschichten des Volkes Gottes sind von den Historien und Geschichten aller Heiden also fern zu scheiden, wie fern der Himmel vom Erdreich abgeschieden ist. In den Geschichten der Heiden mag man sehen die Größe oder Kleinheit der Werke; aber in dieser Geschichte ist das einige zu verwundern und zu ehren, nämlich das Wort Gottes, durch welches Leitung und Willen alle Dinge vollendet werden und geschehen. Darum sie auch mit Recht heilige Historien genannt werden, nicht dass sie von heiligen Menschen geschehen, sondern dass sie nach dem heiligen Wort Gottes, welches alle Dinge heilig macht, und durch seinen heiligen Namen, und anstatt Gottes vollbracht werden.