Die große Zahl von Lehrern ist die Ursache für die Vielzahl von Sekten, für die wir bald keine Namen mehr wissen. Jede Kirche betrachtet sich selbst als die wahre oder zumindest als den reinsten, wahrsten Teil davon, während sie einander mit bitterstem Haß verfolgen. Man kann auf keine Versöhnung zwischen ihnen hoffen; sie begegnen Feindschaft mit unversöhnlicher Feindschaft. Aus der Bibel fälschen sie ihre unterschiedlichen Glaubensbekenntnisse; diese sind ihre Festungen und Bollwerke, hinter denen sie sich verschanzen und allen Angriffen widerstehen. Ich will nicht sagen, daß diese Glaubensbekenntnisse – denn solche sind es zugegebenermaßen in den meisten Fällen – in sich schlecht sind. Sie werden es aber dadurch, daß sie das Feuer der Feindschaft nähren; nur wenn man sie alle beseitigte, wäre es möglich, an die Heilung der Wunden der Kirche zu gehen. … Zu diesem Labyrinth von Sekten gehört etwas andres: die Liebe zum Streitgespräch. … Was wird damit erreicht? Ist auch nur ein einziger Gelehrtenstreit jemals beigelegt worden? Nie. Ihre Zahl ist nur gewachsen. Satan ist der größte Wortverdreher; im Wortgefecht ist er noch nie besiegt worden. … Im Gottesdienst hört man gewöhnlich mehr auf Menschenworte als auf Gottes Wort. Jeder schwätzt wie es ihm beliebt oder schlägt die Zeit mit gelehrten Untersuchungen oder mit Widerlegung andrer Ansichten tot. Über die Wiedergeburt und wie ein Mensch in das Bild Christi umgestaltet werden muß, um Teilhaber der göttlichen Natur zu werden (2. Petrus 1,4), wird kaum etwas gesagt. Von der Schlüsselgewalt hat die Kirche die Gewalt zu binden fast verloren, es bleibt nur die Gewalt zu lösen. … Die Sakramente, als Symbole der Einheit, der Liebe und unsres Lebens in Christus gegeben, sind zum Gegenstand bitterster Feindschaft geworden, Ursache gegenseitigen Hasses, Ausgangspunkt für Sektiererei. … Kurz, die Christenheit ist ein Labyrinth geworden. Der Glaube wurde in tausend kleine Teile zersplittert, und man macht dich zum Ketzer, wenn du eins davon nicht annimmst. … Was kann helfen? Nur das „Eine, was nötig“ ist: Rückkehr zu Christus, Aufblick zu Christus, unserm alleinigen Führer, und das Wandeln in seinen Fußstapfen, daß wir alle andern Wege außer acht lassen, bis wir alle das Ziel erreichen und zur Einheit des Glaubens gelangen (Eph. 4,13). Da der himmlische Meister alles auf das Fundament der Schrift baut, sollten wir alle Eigenheiten unsrer besonderen Bekenntnisse lassen und mit dem geoffenbarten Wort Gottes zufrieden sein, das uns allen gehört. Mit der Bibel in der Hand sollten wir ausrufen: Ich glaube, was Gott in diesem Buch geoffenbart hat; ich will gehorsam seine Gebote halten; ich hoffe auf das, was er verheißen hat. Christen, hört! Es gibt nur ein Leben, aber der Tod kommt in tausend Gestalten zu uns. Es gibt nur eine Wahrheit, aber der Irrtum hat tausend Formen. Es gibt nur einen Christus, aber tausend Antichristusse … So weißt du denn, o Christenheit, um das „Eine, was nötig“ ist. Entweder kehrst du um zu Christus, oder du verfällst dem Untergang wie der Antichrist. Wenn du weise bist und leben willst, folge dem Lebensfürsten. … Ihr aber, Christen, freut euch, daß ihr aufgehalten wurdet, … hört die Worte eures himmlischen Führers: „Kommt zu mir!“ … Antwortet mit einer Stimme: „Ja, wir kommen.“
Tag: 4. Februar 2018
Comenius, Johann Amos – Allgemeiner Richtweg für den menschlichen Verstand
Gott hat bezeugt, daß er das A und das O ist, der Anfang und das Ende von allem. – Den Augen der meisten ist das verschlossen: mit uns selbst beginnen wir, durch uns selbst schreiten wir fort, auf uns selbst richten wir unser Streben. Wir beginnen mit dem Vertrauen auf uns, wir verlassen uns auf unsere Kräfte und unser Licht, wir trachten nach unserem Vorteil und unserem Ruhm. Daher kommen wir von uns wieder auf uns zurück und lassen uns durch die Nichtigkeit der Kreaturen bald von hier, bald von dort fortziehen und hinreißen, bis wir auch selbst zu einem eitlen Nichts werden. Das ist der tieftraurige Weg allen Fleisches, auf dem gerade die Weisesten zu ihrem Unglück von Gott abirren.
Nach Wiederherstellung des Friedens für die christliche Welt würden nicht nur alle christlichen Völker durch das Streben nach wahrer Weisheit und Frömmigkeit aufblühen, sondern auch die Ungläubigen durch dasselbe Licht erleuchtet und, wenn dieser Weg voll Wahrheit durch Gott erschlossen wäre, in die Arme des Christentums geführt werden können. – Aber darf man dies so erhoffen? Jedenfalls darf man die Hoffnung nicht aufgeben, wenn nur dieser allgemeine Richtweg für den menschlichen Verstand angelegt wird, auf dem der Geist der Menschen in hellem Lichte auf nirgends unterbrochenen Stufen von den Grundlagen der Dinge bis zu ihren Höhepunkten ohne Irrtum geführt werden kann.