Nikolaus von Zinzendorf – Sünde

Die Macht der Sünde ist wohl weg (bei einem Kinde Gottes), doch ist noch ein beschwerliches Andenken da: die Stiftchen lassen sich noch fühlen. Daher bleibt allemal was Unangenehmes übrig; das führt man aber gleich in die Armut des Geistes, ins Betteln und Sublizieren zu Seinen Füßen. Und wenn wir das alle Tage tun, das ist die rechte Gabe. 1. Petr. 5, 12. Die bewahrt uns vor aller Gewalt der Feinde und vertreibt das Gift, das in der anklebenden Natur noch verborgen liegt, dass es zu keiner Kraft kommen kann. Aber sobald wir nur einen Tag vorbei gehen lassen, da wir nicht mit Zerknirschung an uns und Sein Verdienst und Erstattung dessen, was wir nicht vermögen, denken, so müssen wir gleich mit der Nase darauf gestoßen werden. Und man kann so anlaufen, dass wir endlich eben keine große Ermahnung brauchen, uns unserer Sündhaftigkeit zu erinnern, und nicht nötig haben es ins Wappen oder auf ein Bild setzen zu lassen, oder uns ein Memoriale zu machen: Deines Elends nicht vergiss! Wir haben Exempel an uns und andern, dass wir noch nicht vollendet seien, dass noch nicht aller Tage Abend ist, weder mit unserm Elend noch mit unserm Ungeschicktsein.