Nikolaus von Zinzendorf – Vom unvernünftigen Christentum

Da möchte man alle Theologen, wenn sie einen hörten, um Gottes Willen bitten, sie sollten sich doch nicht die Mühe geben, unsere Religion beständig als vernünftig vorzustellen. Denn wenn sie den Atheisten und Deisten beweisen wollen, dass unsere Religion eine in ihren Köpfen gewurzelte Weisheit ist, eine Klugheit, die sie in ihrer Art für Klugheit halten können, so dreschen sie leeres Stroh. Paulus sagt positiv: Es ist etwas Törichtes in unserer Predigt; es kann sie kein Weiser dieser Welt begreifen; da ist kein Ohr, das unsere Sprache hören, kein Auge, das unsere Sache sehen kann. Man muss vorbereitet sein, wie es dort heißt: so viele ihrer zum ewigen Leben zugerichtet waren, denen ihr Kopf, ihr Gemüt und Herz zurecht gestellt war, dass sie diese Sachen als Weisheit erkennen konnten als dennoch Weisheit. Du lässt mich wissen, die heimliche Weisheit, sagt David. Das ist die Weisheit, (1 Kor. 1.) die keiner von den Klugen dieser Welt erreichen konnte.
Das soll weiter nichts beweisen, als dass die gewöhnlichen Mittel nicht hinreichen, dass eines Menschen, als Menschen, sein Verstand so wenig zulangt, die Sache zu fassen, als eines armen Tieres Verstand zulangt, unsere geometrische und algebraische Aufgaben zu begreifen. Es muss gegeben werden.

Nikolaus von Zinzendorf – Christ sein

Wenn man keine andere Gewissheit von Christus, dem Heiland, hat, als was einem der Schulmeister (oder Professor) in seiner Jugend davon vorgesagt, so ist man freilich sehr übel daran; denn es kann einem der Einwurf gemacht werden: wer weiß, wenn du ein Jude geboren wärest, so glaubtest du, was dich der Rabbi gelehrt hätte; wenn du ein Türke geboren wärest, so glaubtest du, was dich der Mullah gelehrt hätte; wenn du unter den Heiden geboren wärest, so glaubtest du, was dich der Bonze, der Lama, oder sonst ein heidnischer Geistlicher gelehrt hätte. Und man könnte nicht viel darauf sagen.
Es muss also notwendig was sein, das einem gewisser ist, als alles, was sich unser Verstand angeeignet hat, worauf man sicher fußen und vor Jedermann behaupten kann: Ja, ich wäre doch ein Christ, wenn ich gleich ein Jude geboren wäre; ich wäre doch kein Türke oder Heide geblieben, wenn ich ein Türke oder Heide geboren wäre.

Nikolaus von Zinzendorf – Christen

Der wesentliche Charakter eines Christen besteht absolut darin, dass er sich nicht auf seine Religionspartei beruft, sondern auf seine Natur, auf sein Herkommen; denn der schwerste Einwurf an jenem Tage wird der sein: Ich kenne euch nicht, wo ihr her seid.

Der Christ ist nicht darum selig, weil er zu dieser oder jener Religionspartei gehört, weil er Paulisch, oder Kephisch, oder Apollisch, oder Christisch, sondern weil er Christ ist.\\
Man sagt in allen Sprachen Christianer, in unserer deutschen Sprache allein sagt man: ein Christ, und das ist das rechte Wort. Alles ist euer, ihr aber seid Christi, ihr gehöret Christi, ihr seid sein Erbe, sein Geschlecht. Ihr seid Bein von seinem Bein, und Fleisch von seinem Fleisch. Und das bezieht sich auf 1. Mos. 2,23. Man wird sie Männin heißen, weil sie vom Mann genommen ist. Darauf beziehen sich alle Propheten, wenn es heißt: die nach meinem Namen genannt sind. Wir werden aber nicht nach Christi Namen genannt, als ob Christus nur unser Lehrer, Prophet und Gesetzgeber und der Urheber unserer Religion wäre. In diesem Sinne sind wir nicht Christen; sondern wir sind Christen, so wie in unsern europäischen Ländern eine Frau den Namen ihres Mannes trägt, und künftig genannt wird, nicht wie sie geboren, sondern wie ihr Mann heißt, also heißt eine jede Seele, die ein Recht hat, sich zu nennen, die vom Mann genommen ist, Christo angehörig, Christin.

Wer sich auf nichts anders zu steifen hat, als dass er Jesu Lehre gelesen, oder darüber gepredigt, oder in den Grundsätzen seiner Religion befestigt ist, den kann man für nichts anders als für einen Christianer, für einen Anhänger einer christlichen Religionspartei gelten lassen. Und wenn er auch in seiner Religion alle Pflichten erfüllt, so kann er doch darum nicht fordern: o du Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, bekenne dich zu mir! sondern wer das fordern will, der muss in seinem Herzen gechristet sein, muss zum Christen gemacht sein, muss seines Gebeins und seines Geistes sein. Er muss mit Wahrheit rühmen können: der mich gemacht hat, ist mein Mann, der sich mit mir verlobt hat in Ewigkeit und sich mit mir vertraut hat in Gnade und Barmherzigkeit, ja, der sich im Glauben mit mir verlobt hat.

Nikolaus von Zinzendorf – Warum Menschen verloren gehen

Nicht eine Menschenseele wird deswegen mehr verdammt, weil Adam gefallen ist, indem die Sünden am Kreuz alle auf einmal versöhnt, und der ganze Fall ausgestrichen, und das ganze Urteil über den Fall Adams mit Jesu Nägeln zerrissen und vernichtet ist. Wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christo alle lebendig gemacht, (1. Kor. 15,22.) alle, die doch in die Hölle kommen und zum Teufel fahren, nicht ausgeschlossen. Am Stamm des Kreuzes ist die Welt auf einmal selig geworden, und was verloren geht, geht sich verloren, weil es Jesum nicht annehmen will, weil es von neuem fällt, und Adams Fall wiederholt, weil es aus einer gewissen Feindseligkeit gegen seinen Versöhner die Partei des Feindes ergreift, der noch lebt, und an jeder Seele versucht, was er am ersten Menschen versucht hat.

Nikolaus von Zinzendorf – Richtig von Jesus hören

Es gibt viele tausend Menschen in der Welt, die, wenn sie Jesum predigen hören, gerade so hören, als ob sie eine Zeitung lesen, da ihnen die Menschen, von denen die Rede ist, fünfhundert oder tausend Meilen entlegen sind, die sie nichts angehen, unter denen sie nicht einen Bekannten haben, und in ein paar Tagen nicht mehr wissen, was es war. Warum? Es ist ihnen nicht wichtig, sondern eine fremde Sache. Wem aber der Heilige Geist an’s Herz gekommen ist, wem er das Herz aufgeschlossen hat, wem er den Stein vom Herzen weggewälzt hat, dem ist, wenn er von Jesu und von der Versöhnung hört, so, als wenn Jemand eine Zeitung von seinem Sohn, von seinem Vater, von seinem Bruder, als wenn ein Weib von ihrem Mann Nachricht erhielt. Es ist ihm alles lebendig. Und das kommt nicht von der Würde des Menschen, der redet, nicht von den Worten, die ausgesprochen werden, nicht von der Beweglichkeit des Bezeugens dabei, nicht von den Beweisgründen, die einer vorbringt, oder von der Annehmlichkeit seiner Person, sondern das kommt von der Liebe her, die im Herzen zur Sache ist. Wie kommt aber die hinein? Sie wird ausgegossen in unser Herz durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist. Wenn der Heilige Geist ins Herz kommt, so zerschmelzt Er das Herz, da werden die Augen nass, da freut sich Leib und Seele.