Nikolaus von Zinzendorf – Christen

Der wesentliche Charakter eines Christen besteht absolut darin, dass er sich nicht auf seine Religionspartei beruft, sondern auf seine Natur, auf sein Herkommen; denn der schwerste Einwurf an jenem Tage wird der sein: Ich kenne euch nicht, wo ihr her seid.

Der Christ ist nicht darum selig, weil er zu dieser oder jener Religionspartei gehört, weil er Paulisch, oder Kephisch, oder Apollisch, oder Christisch, sondern weil er Christ ist.\\
Man sagt in allen Sprachen Christianer, in unserer deutschen Sprache allein sagt man: ein Christ, und das ist das rechte Wort. Alles ist euer, ihr aber seid Christi, ihr gehöret Christi, ihr seid sein Erbe, sein Geschlecht. Ihr seid Bein von seinem Bein, und Fleisch von seinem Fleisch. Und das bezieht sich auf 1. Mos. 2,23. Man wird sie Männin heißen, weil sie vom Mann genommen ist. Darauf beziehen sich alle Propheten, wenn es heißt: die nach meinem Namen genannt sind. Wir werden aber nicht nach Christi Namen genannt, als ob Christus nur unser Lehrer, Prophet und Gesetzgeber und der Urheber unserer Religion wäre. In diesem Sinne sind wir nicht Christen; sondern wir sind Christen, so wie in unsern europäischen Ländern eine Frau den Namen ihres Mannes trägt, und künftig genannt wird, nicht wie sie geboren, sondern wie ihr Mann heißt, also heißt eine jede Seele, die ein Recht hat, sich zu nennen, die vom Mann genommen ist, Christo angehörig, Christin.

Wer sich auf nichts anders zu steifen hat, als dass er Jesu Lehre gelesen, oder darüber gepredigt, oder in den Grundsätzen seiner Religion befestigt ist, den kann man für nichts anders als für einen Christianer, für einen Anhänger einer christlichen Religionspartei gelten lassen. Und wenn er auch in seiner Religion alle Pflichten erfüllt, so kann er doch darum nicht fordern: o du Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, bekenne dich zu mir! sondern wer das fordern will, der muss in seinem Herzen gechristet sein, muss zum Christen gemacht sein, muss seines Gebeins und seines Geistes sein. Er muss mit Wahrheit rühmen können: der mich gemacht hat, ist mein Mann, der sich mit mir verlobt hat in Ewigkeit und sich mit mir vertraut hat in Gnade und Barmherzigkeit, ja, der sich im Glauben mit mir verlobt hat.