Bernhard von Clairvaux – Hochmut

Höre das Elend, das mich drückt, erschrick davor, und lerne dich selbst verleugnen. Der Teufel fiel einst durch Hochmut; und da ich mich naher prüfe, so finde ich mich von derselben Pest angesteckt. Zitternd und erbebend spreche ich: Ist es also einem Engel ergangen, wie soll es mir ergehen, der ich Asche bin? Jener ward im Glanze des Himmels stolz, ich werde es im Staube der Erde. Wie viel erträglicher ist es, reich und stolz, als arm und stolz zu sein! Aber schon leide ich Strafe, schon fühle ich harte Pein. Ich bin schlaff und kalt, mein Geist ist wie erloschen. Wehe mir! Ich wandelte gut, aber siehe, da kam ein Stein des Anstoßes, ich stieß und stürzte. Stolz ward in mir erfunden und der Herr hat sich im Zorn von seinem Knechte gewandt. Ach, wie ist mein Herz so vertrocknet, dem dürren Erdreich gleich geworden, wie sind alle Thränen so versiegt? Kein geistliches Lied will mir mehr klingen, Schrift und Gebet nicht schmecken, alle Gedanken der Andacht sind von mir gewichen. Zur Arbeit bin ich trag, zum Zorn und Hasse geneigt. Wo ist jene Heiterkeit des Sinnes, wo der Friede und die Freude im heiligen Geist? Wie Andere doch so ausdauernd in der Geduld, so sanftmüthig und demüthig, so mitleidsvoll und barmherzig, so andächtig und gebetsreich sind! Wie die Gnade auf sie herabfließt, und wie sie den Bergen gleichen, welche der Herr besucht! Aber ach, ich bin einer von den Bergen Gilboas, vor denen der gütigste Gast nun in seinem Zorne vorübergeht!