Ich habe von Jugend auf gern‘ in der Bibel gelesen, für mein Leben gern. ’s stehn solche schöne Gleichniß und Räthsel d’rinn, und ’s Herz wird einem darnach so recht frisch und muthig. Am liebsten aber les‘ ich im Sanct Johannis. In ihm ist so etwas ganz wunderbares – Dämmerung und Nacht, und durch sie hin der schnelle zückende Bliz! ’n sanftes Abendgewölk und hinter dem Gewölk der grosse volle Mond leibhaftig! so etwas schwermüthiges und hohes und ahndungsvolles, daß mans nicht satt werden kann. ’s ist mir immer beym Lesen im Johannis, als ob ich ihn beym lezten Abendmahl an der Brust seines Meisters vor mir liegen sehe, als ob sein Engel mir’s Licht hält, und mir bey gewissen Stellen um den Hals fallen und etwas ins Ohr sagen wolle. Ich versteh lang nicht alles, was ich lese, aber oft ists doch, als schwebt‘ es fern vor mir, was Johannes meynte, und auch da, wo ich in einen ganz dunklen Ort hinein sehe, hab ich doch eine Vorempfindung von einem grossen herrlichen Sinn, den ich ’nmahl verstehen werde, und darum greiff‘ ich so nach jeder neuen Erklärung des Johannes. Zwas die meisten kräuseln nur an dem abendgewölke, und der Mond hinter ihm hat gute Ruhe.
Des Herrn Verfassers Erklärung ist sehr gelehrt, dünkt mich, und ich glaube, daß man wohl zwanzig Jahr studieren muß, ehe man so eine schreiben kann.