Dionysius der Karthäuser – Liebe

Wie schon die sinnliche Liebe eine geliebte Person gern betrachtet, beständig an sie denkt, alle ihre Angelegenheiten, auch die kleinsten berücksichtigt und im Auge behält, getrennt von ihr sich sehnt und kümmert, vereint mit ihr immerdar fröhlich ist und keine Zeit zu lang findet; so verhält es sich auch mit der Seele, welche Gott wahrhaft liebt. Ueberall und immerdar gedenkt sie des Herrn und erfüllt buchstäblich den Ausspruch: Diese Worte sollst du zu Herzen nehmen und darüber nachdenken, magst du im Hause sitzen, oder auf der Straße gehen, magst du dich niederlegen oder aufstehen. Sie lenkt gern und oft ihren Blick auf die herrlichen Eigenschaften ihres Gottes hin. Bald versenkt sie sich in seine unaussprechliche Güte und Gnade, bald in seine unermeßliche Weisheit und Allmacht, bald in seine Gerechtigkeit und Ewigkeit, und die Betrachtung erregt ihr Verwunderung, und die Verwunderung immer größere Liebe und die Liebe immer neues Lob und neuen Dank.