Kierkegaard, Sören Aabye – Über Liebe

Was ist denn ein Mensch ohne Liebe? Doch gibt es vielerlei Arten von Liebe; ich liebe einen Vater anders als eine Mutter, meine Ehefrau wiederum anders, und jede verschiedene Liebe hat ihren verschiedenen Ausdruck; es gibt aber auch eine Liebe, mit der ich Gott liebe, und diese hat in der Sprache nur einen Ausdruck, nämlich: Reue. Wenn ich ihn nicht so liebe, so liebe ich ihn nicht absolut, nicht aus meinem innersten Wesen, jede andere Liebe zum Absoluten ist ein Mißverständnis, denn, um etwa das zu nehmen, was man sonst so laut anpreist und was ich selber ehre, wenn der Gedanke mit aller seiner Liebe am Absoluten festhängt, so ist es nicht das Absolute, was ich liebe, ich liebe nicht absolut, denn ich liebe notwendig; sobald ich frei liebe und Gott liebe, bereue ich. Und sollte es keinen anderen Grund dafür geben, daß der Ausdruck für meine Liebe zu Gott Reue ist, so gibt es doch den, daß er mich zuerst geliebt hat. Und doch ist dies eine unvollkommene Bezeichnung, denn nur wenn ich mich selbst als schuldig wähle, wähle ich absolut mich selbst, falls ich überhaupt mich selbst auf eine Weise absolut wählen soll, daß dieses Wählen nicht identisch ist mit einem sich selbst Erschaffen; und wäre es auch des Vaters Schuld, die sich auf den Sohn fortgeerbt hätte, er bereut sie mit, denn so nur kann er sich selbst wählen, sich absolut wählen; und wenn die Tränen ihm beinahe alles auslöschten, er fährt fort zu bereuen, denn so nur wählt er sich selbst. Sein Selbst ist gleichsam außer ihm, und es muß erworben werden, und die Reue ist seine Liebe dazu, weil er es absolut wählt, aus des ewigen Gottes Hand.