Kohlbrügge, Hermann Friedrich – Der Herr ist König

Das Joch ist von der Schulter zerbrochen, die verklagenden Mächte sind durch ihn ausgezogen, die Sünde und ihre Herrschaft ist zunichte gemacht, die Werke des Teufels sind zerstört, die Bande des Todes und die Stricke der Welt sind zerrissen. Mein Herr hat Frieden für mich gemacht durch das Blut an seinem Kreuz. Nachdem er die Reinigung unserer Sünden hat dargestellt, ist er von Golgatha gestiegen auf seinen ‚ Thron in den Himmel, er hat uns in sich gemacht zu Königen und Priestern, und nunmehr ist ihm alles untertan gemacht. So ist der Herr König, so ist er König geworden, seiner Gemeine zugut, ihr zur Hilfe und zum Heil, zum Schutz allen Elenden, Armen und Verlornen, die sich danach sehnen, daß er über sie regiere.

Unaufhörlich ist die Gemeine des Herrn, welche nur aus Hilfsbedürftigen und Notleidenden besteht, allerlei Anfechtung von seiten des Teufels, der Sünde und der Welt, allerlei Leiden und Trübsal ausgesetzt. Wie tröstlich ist ihr dabei die Offenbarung: der Herr ist König! Das ruft sie aus, wenn sie mit ihrem Herzen von unten nach oben gezogen wird.

Kohlbrügge Hermann Friedrich – Schule der Selbsterkenntnis

Wann werden wir endlich völligen Bankrott machen und Konkurs anmelden? Es gibt doch kein fröhlicheres Leben, als wenn man aufgenommen worden ist in Gottes großes Armenhaus und nichts, nichts, gar nichts mehr zu leisten braucht, sondern alles ohne Geld und – damit man nicht meine, man könne es mit seiner Dankbarkeit gutmachen – umsonst, ganz umsonst hat und so sich’s gut sein läßt an eines anderen Gut!

Gott spricht: ,Welchem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig.‘ 0, das ist doch wahrhaftig ein Wort, so reich an Trost wie kein anderes! Er nimmt mir meine Schulden und schenkt mir Reichtümer. Er nimmt mir meine Lappen und Lumpen und kleidet mich wie ein Königskind. Er nimmt mir meine Krücken und verwendet sie als Brennholz, um mir eine köstliche Speise zu kochen. Wenn ich ganz und gar aussätzig bin, dann bin ich rein; und wenn ich schwarz bin, dann nennt er mich ,lieblich‘. Und wenn ich zu schwach bin, um auch nur eine Feder von meinem Munde wegzublasen, dann bin ich ein allmächtiger Mann. Wenn ich am Boden dahinkrieche, dann schwebe ich über den Bergen Jerusalems. Wenn ich mich selbst verdamme, dann preist er mich selig. Und wenn ich nur noch Haut und Knochen bin, gerade dann werde ich nicht zu leicht befunden auf seiner Waage. Das geht wohl alles kreuz und quer gegen unsere Gedanken und Erwägungen, aber gerade so geht es gut! Es gibt keinen andern Weg der Gnade nach Jerusalem, und ich begehre auch keines andern. Es ist eine große Gnade, wenn Gott uns mit unserer Heiligkeit und Frömmigkeit in den Dreck stößt und ins Feuer wirft, und das tut er mit einem jeglichen unter uns, sofern wir in Gnaden sind. Ein Mal über das andere und immer wieder tut er das. Und so empfinden wir es erst recht und bekennen, daß wir uns selbst ungnädig sind, wenn wir es in unserer Frömmigkeit suchen und in einer Heiligmachung, die halb von Christus und halb aus uns selbst kommt, und daß er allein gnädig ist, welchem er gnädig ist, und zwar darin und damit, daß er alle unsre schönen Kartenhäuschen einfach über den Haufen bläst und ohne Aufhören abbricht, was wir bauen.

Manchmal meinen wir, wir wüßten in diesen Dingen Bescheid, und kommen dann just auf einen Weg, auf dem es uns plötzlich so vorkommt, als verstünden wir noch gar nichts. Das ist uns sehr heilsam!

Kohlbrügge, Hermann Friedrich – Paradoxa

„Steinreiche Leute, ja, steinreiche Leute sind wir in dem Wort, und es ist uns manchmal, als habe Gott der HErr nicht einmal Macht, uns einen Groschen zukommen zu lassen. Heilige Leute sind wir in dem Wort, und es muß der Teufel Ja dazu sagen, und wir stehen immerdar verlegen, wenn wir diese Heiligkeit an uns nicht spüren, wenn wir nicht ein Pröbchen eigener Schmiedekunst aus unserer Werkstätte aufweisen können. Priester sind wir in dem Worte Gott dem Allerhöchsten, und es ist uns nie recht, wenn wir nicht etwas Eigenes zu opfern haben“.

Kohlbrügge, Hermann Friedrich – Gottes Führung

„Gott führt seine Heiligen wunderbar. Verheißt er ihnen Raum, so werden sie eingeengt; verheißt er den Frieden, so wird die Seele in uns, ach, so unruhig; verheißt er den Segen, so scheinen alle Flüche auf uns zu kommen; verheißt er Ehre, so muß man schreien: Laß mich nicht beschämt werden! Verheißt er Gnade, so scheint er seinen Zorn über uns ausgegossen zu haben; verheißt er Heiligung, so beginnt die Sünde wie nie zuvor in uns zu wüten usw., dennoch ist es Gottes Weg mit ihnen“.

Kohlbrügge, Hermann Friedrich – Das Evangelium

„Das Evangelium setzt alles ganz anders, als Fleisch es setzt. So predigt das Evangelium: Ist es verloren, so ist es gerettet. Hast du Sünde, so hast du sie nicht; bebst du vor dem Gericht, so kommst du nicht in das Gericht; bist du tot, so hast du mich als dein Leben; bist arm, ich bin dein Reichtum; klagst du dich selbst an, so bist du freigesprochen; netzest du dein Kopfkissen mit Tränen, so freuen sich um deinetwillen die Engel Gottes im Himmel, bist du ganz aussätzig, so bist du ganz rein usw.“

Kierkegaard, Sören Aabye – Über Mystiker

Meiner Meinung nach kann man den Mystiker von einer gewissen Zudringlichkeit in seinem Verhältnis zu Gott nicht freisprechen. Daß ein Mensch Gott lieben soll von ganzer Seele und mit seinem ganzen Denken, ja, daß er es nicht nur soll, sondern daß es die Seligkeit selbst ist, es zu tun, wer wollte das leugnen? Daraus folgt jedoch keineswegs, daß der Mystiker das Dasein, die Wirklichkeit, in die Gott ihn gesetzt hat, verschmähen soll; denn damit verschmäht er eigentlich Gottes Liebe oder fordert einen anderen Ausdruck für sie, als den Gott ihr geben will. Hier gilt das ernste Wort Samuels: Gehorsam ist Gott lieber als das Fett der Widder. Aber diese Zudringlichkeit kann zuweilen eine noch bedenklichere Gestalt annehmen. Wenn etwa ein Mystiker sein Verhältnis zu Gott darauf gründet, daß er eben der sei, der er ist, sich auf Grund irgendeiner Zufälligkeit als Gegenstand der göttlichen Vorliebe sieht. Hiermit entwürdigt er nämlich Gott und sich selbst. Sich selbst, denn es ist immer eine Entwürdigung, durch irgend etwas Zufälliges wesentlich von andern verschieden zu sein; Gott, denn er macht ihn zu einem Götzen und sich selbst zu einem Günstling an dessen Hof.

Was mir an dem Leben eines Mystikers ferner unangenehm ist, das ist die Weichheit und Schwäche, von der man ihn nicht freisprechen kann. Daß ein Mensch in seinem innersten Herzen vergewissert sein möchte, er liebe Gott in Wahrheit und Aufrichtigkeit, daß er sich manchmal veranlaßt fühlt, sich dessen so recht zu vergewissern, daß er Gott bitten kann, seinen Geist Zeugnis geben zu lassen seinem Geist, daß er es tut, wer wollte das Schöne und Wahre darin leugnen? Hieraus aber folgt keineswegs, daß er diesen Versuch jeden Augenblick wiederholen, jeden Augenblick die Probe auf seine Liebe machen wird. Er wird Seelengröße genug besitzen, um an Gottes Liebe zu glauben, und dann wird er auch die Freimütigkeit haben, an seine eigene Liebe zu glauben, und fröhlich in den Verhältnissen bleiben, die ihm zugewiesen sind, eben weil er weiß, daß dieses Bleiben der sicherste Ausdruck ist für seine Liebe, für seine Demut.

Endlich mißfällt das Leben eines Mystikers mir, weil ich es für einen Betrug an der Welt halte, in der er lebt, einen Betrug an den Menschen, mit denen er verbunden ist oder zu denen er in Beziehung treten könnte, wenn es ihm nicht gefallen hätte, Mystiker zu werden. Im allgemeinen wählt der Mystiker das einsame Leben, aber damit ist die Sache nicht klar; denn die Frage ist, ob er es überhaupt wählen darf. Sofern er es gewählt hat, betrügt er andere nicht, denn er sagt damit ja: ich wünsche keine Beziehungen zu euch; die Frage aber ist, ob er es überhaupt sagen, es überhaupt tun darf.

Kierkegaard, Sören Aabye – Christi Opfer – unsere Schuld

Christi unschuldiger Opfergang ist noch nicht vorüber, ob auch der Kelch des Leidens geleert worden ist; ist nicht ein Vergangenes, obwohl es achtzehnhundert Jahre her ist, ist es noch nicht geworden, sogar wenn seitdem achtzehntausend Jahre vergangen sind.

Es ist nicht bloß jene Generation gewesen, die ihn gekreuzigt: Es ist das Menschengeschlecht gewesen, und zu diesem gehören doch auch wohl wir, wenn anders wir Menschen sind, und so sind wir denn wohl gegenwärtig beteiligt, wenn anders wir Menschen sind.

Wir dürften somit denn nicht unsre Hände waschen – wir könnten dies wenigstens nicht anders tun, als Pilatus es gekonnt; wir sind mithin nicht Zuschauer und Betrachter bei einem vergangenen Ereignis, wir sind ja Mitschuldige bei etwas Gegenwärtigem. Wir sind darum nicht so vermessen, dass da nach Art der Dichter von uns Mitleid gefordert werde: Nein, sein Blut wird auch von uns gefordert, die wir mit zum Menschengeschlecht gehören.

Sogar der ihm Nachfolgende, der ihm am ähnlichsten wäre, der nicht etwa, wie der Aberglaube, danach trachtete, seine Wundmale am Leibe zu tragen, sondern dessen Leben ebenfalls Niedergang statt Aufgang gewesen ist, der da ebenfalls, der christlichen Rangordnung gemäß, von Stufe zu Stufe niedergestiegen, verlacht, verhöhnt, verfolgt gekreuzigt worden ist, sogar er, wenn er jener Nacht gedenkt, sogar er ist in ihr zugegen als Mitschuldiger.

Es darf niemand vergessen, dass er in jener Nacht dabei war als Mitschuldiger; niemand darf doch jenes traurige Vorbild vergessen, dem er ansonsten wohl schwerlich gleicht: den Apostel Petrus, der ihn verleugnete. Wir Menschen, sogar, wenn wir aus der Wahrheit sind, werden im Augenblick der Entscheidung mitschuldig. Es gibt im ganzen Menschengeschlecht nicht einen Einzigen, der mit ihm zu tun haben will – und Er ist die Wahrheit!