Adolf Stöcker – Die Religion

Die Religion gehört ins Kämmerlein, gewiß, aber sie gehört auch in die Kammer, in die erste und in die zweite Kammer. Man könnte, wenn man nur wollte, viel mehr glückliche Menschen auf Erden haben, wenn mehr Leute ihre Pflicht täten und ihren Nächsten liebhätten, Und gerade das Christentum hat alle Gedanken, um die Politik gerecht und das soziale Leben richtig zu gestalten.

Friedrich Christoph Oetinger – Erfahrung

Ich habe es oft erfahren, wenn ich im innerlichen Streit durch Beten, Suchen und Anklopfen meine Verwirrung in Regelmäßigkeit und meine Unruhe in Ruhe gebracht hatte, daß ich es dann dabei bewenden lassen konnte. Ich konnte es tun in der Überzeugung, daß es eine herrliche Sache sei und daß Gott auch unser kindliches Gebet ansehe; ja, daß er uns dann Gedanken eingibt, die alle Regeln überschreiten nach dem Spruch: „Er kann überschwenglich tun über alles, was wir bitten oder verstehen.“ Die Weisheit auf der Gasse, der Geist der Schrift und die göttlichen Schickungen sind Werkzeuge. Aber Gott ist’s, der in Jesus und durch Jesus über alles hinauswirkt. Darum will ich mich niemals auf die erworbene Gnade verlassen, sondern als ein Bettler vor ihm kommen, der nichts hat und nichts kann. Alsdann findet meine Seele Ruhe, und der Geist Jesu gibt den Gnadenkräften eine neue Form. Dies beruhigt das Herz und vermehrt die Gnade und den Frieden.

Friedrich Schleiermacher – Aus einem Brief an seine Frau, 1832

Du kommst ganz in die Sprache hinein, immer vom Heiland zu reden und Gott ganz in den Hintergrund zu stellen. Wenn schon der Heiland es ist, der aus der Natur zu uns spricht, so muß dann ein unmittelbares Verhältnis mit Gott gar nicht mehr stattfinden, und doch rühmt er sich selbst am meisten dessen, daß wir durch ihn zum Vater kommen, und der Vater Wohnung bei uns macht. Halte doch daran fest, mit Christo und durch ihn dich recht Gottes, seines und unseres Vaters, frisch und fröhlich zu freun. Das ist sein liebster Lohn für seine Treue.

Argula von Grumbach – Apologie

Man heißt mich lutherisch, ich bin es aber nicht, ich bin im Namen Christi getauft, den bekenn ich, und nicht Luther. Aber ich bekenn, daß ihn Martinus auch als ein treuer Christ bekennt. Gott helf, daß wir solches nimmermehr verleugnen, weder durch Schmach, Schande, Kerker, Peinigung, auch nicht durch den Tod. Das helf und verleihe Gott allen Christen, Amen.

Immanuel Gottlieb Kolb – Vom Gebet

Im Anfang, wenn der innere Mensch noch schwach ist, will auch das Beten noch nicht recht gehen; dann ist es wie bei einem Pumpbrunnen, wo das Wasser mühsam heraufgebracht werden muß. Nach und nach geht es etwas leichter, daß es wie ein laufender Brunnen von selbst fließt; und eindliich wird das Beten zum dringenden Bedürfnis, so daß es springbrunnenartig aufwärts steigt.