Aurelius Augustinus – Ich bin heilig

Ein Jeder der Gläubigen gestehe: Ich bin heilig. Dieses zu sagen ist keine Anmaßung, sondern Zeichen der Dankbarkeit. Wenn du sagst, daß du aus dir selbst heilig bist, so ist es Anmaßung; wenn ud aber als ein Gläubiger in Christo und als ein Glied Christi dich nicht heilig nennen willst: so bist zu undankbar. Indem der Apostel die Anmaßung straft, sagt er nicht: „Du hast nicht;“ sondern er sagt: „Was hast du, daß du nicht empfangen hast?“

Aurelius Augustinus – Der Glaube Abrahams

Abraham brachte seinen Sohn Gott zum Opfer dar, ein großes Werk, aber aus dem Glauben. Ich lobe den Bau desWerkes, aber ich sehe auf den Grund des Glaubens. Ich lobe die Frucht des guten Werkes, aber im Glauben erkenne ich die Wurzel. Denn wenn es Abraham ohne den rechten Glauben gethan, es hätte ihm nicht genützt, wie groß das Werk auch gewesen. Wiederum, wenn Abraham Glauben gehalten und auf den Befehl Gottes, ihm den Sohn zu opfern, zu sich selbst gesagt hätte: „Ich thue es nicht und glaube dennoch, weil mich Gott auch erlös’t, wenn ich seine Befehle verachte;“ so würde der Glaube todt sein ohne Werke und gleichsam eine unfruchtbare und dürre Wurzel bleiben. Wie also? Wir müssen kein Werk dem Glauben vorziehen, so daß Jemand vor dem Glauben gut gehandelt haben sollte. Denn leer sind die Werke vor dem Glauben, obgleich sie den Menschen lobenswerth erscheinen. Sie scheinen mir wie große Kräfte und der schnellste Wagen ohne Weg. Niemand also halte seine Werke für gut ohne den Glauben; wo der Glaube nicht war, war auch das gute Werk nicht; denn gut mach das Werk die Absicht; die Absicht aber lenkt der Glaube.

Aurelius Augustinus – Vergebung

Ich habe eine große Sünde gesündigt und bin mir vieler Vergehen bewußt; aber ich verzweifle nicht, weil, wo die Vergehungen übergeflossen, auch die Gnade überfließt. Wer an der Vergebung der Sünde verzweifelt, leugnet, daß Gott barmherzig ist; ein großes Unrecht thut er Gott, weil er seiner Gnade mißtrauet. So viel an ihm ist, leugnet er die Liebe, Wahrheit und Macht Gottes; meine ganze Hoffnung aber ruhet in der Liebe der Annahme, in der Wahrheit der Verheißung und in der Macht der Erlösung.

Aurelius Augustinus – Zu Johannes 1

Von seiner Fülle haben wir Alle genommen Gnade um Gnade.“ (Joh. 1,16.) Welche Gnade haben wir zuerst empfangen? Den Glauben. Im Glauben wandelnd wandeln wir in die Gnade. Denn womit haben wir dieses verdient? Mit welchen vorhergehenden Verdiensten? Verstocke sich Niemand, sondern Jeder gehe in sein Gewissen zurück, suche die Schlupfwinkel seiner Gedanken und kehre wieder zur Reihe seiner Thaten. Er beachte nicht, was er sei, wenn er schon Etwas ist, sondern, was er gewesen sei, damit er etwas würde. Er wird finden, daß er nur des Todes würdig gewesen. Bis du aber des Todes würdig gewesen, und es ist Der gekommen, welcher die Sünden nicht strafte, sondern verzieh: so ist dir Gnade, nicht Lohn gegeben.

Aurelius Augustinus – Vom Geheimnis der göttlichen Dreifaltigkeit

Nur schwer läßt sich ein Name finden, der sich für eine so überragende Herrlichkeit ziemt, außer, man nennt diese Dreifaltigkeit besser den Einen Gott, von dem, durch den und zu dem alle Dinge sind. In diesem Sinn ist es Vater, Sohn und Heiliger Geist. Jeder einzelne von ihnen ist Gott und zugleich sind sie alle der Eine Gott. Jeder einzelne von ihnen besitzt das ganze göttliche Wesen, und zugleich haben sie alle ein Wesen. Der Vater ist weder Sohn noch Heiliger Geist, der Sohn ist weder Vater noch Heiliger Geist, der Heilige Geist ist weder Vater noch Sohn; sondern der Vater ist nur Vater, der Sohn ist nur Sohn, der Heilige Geist ist nur Heiliger Geist. Alle drei besitzen dieselbe Ewigkeit, Beständigkeit, Majestät und Macht. Im Vater ist die Einheit, im Sohn die Gleichheit, im Heiligen Geist die Eintracht von Einheit und Gleichheit. Die drei sind alle eins wegen des Vaters, […], sind alle gleich wegen des Sohnes, sind alle verbunden wegen des Heiligen Geistes.

Haben wir damit etwas gesagt, etwas geäußert, was Gottes würdig ist? Ja, ich fühle vielmehr nur, daß ich etwas sagen wollte; wenn ich aber gesprochen habe, so ist es nicht das, was ich sagen wollte. Das weiß ich daher, daß Gott unaussprechlich ist; ich habe aber gesprochen, als wäre es unaussprechlich. Darum kann man Gott nicht einmal unaussprechlich nennen, denn wenn man das sagt, so spricht man bereits etwas aus. So läuft es auf jenen Wortstreit hinaus, daß das Unaussprechliche – wenn man darunter versteht, was nicht gesagt werden kann – nicht unaussprechlich sei, weil man es „unaussprechlich“ nennen könne. Besser ist, sich vor diesem Wortstreit schweigend in acht zu nehmen, als ihn mit der Stimme zu entscheiden. Gott jedoch, über den nichts angemessen gesagt werden kann, hat erlaubt, daß ihm die menschliche Stimme gehorsam sei, und wollte, daß wir uns über unsere Worte zu seinem Lobe freuen. So kommt es, daß er Gott genannt wird.

Aurelius Augustinus – Traue nicht dem Meer, auch wenn es windstill ist

Christ, laß deine Hoffnung nicht matt, deine Liebe nicht lau werden. Umgürte deine Lenden, zünde deine Leuchte an und laß sie scheinen. Warte deines Herrn, bis er von der Hochzeit kommt. Was wirst du blaß, was bebst du, wenn Reiche untergehen? Dazu ist dir ja das himmlische Reich versprochen, daß du mit dem irdischen nicht zugrunde gehen sollst. Brüder, gründet eure Zuversicht auf den Herrn, sehnet euch nach dem Ewigen, erwartet das Ewige. Brüder, wir sind Christen! Nicht um der zeitlichen Freude wegen stieg Christus in das Fleisch hinab. Die Güter der Erde fordern von uns mehr Duldung als Liebe. Was uns drückt, trägt das Brandmal der Vergänglichkeit – was uns reizt, das Gepräge der falschen Schmeichelei. Trau dem Meere nicht, auch wenn es windstill ist! Es soll nicht umsonst gesagt sein: „Hebet eure Herzen zu den himmlischen Dingen empor!“ Was heften wir das Herz an die Erde, die der Zerstörung nicht entgehen kann?