Claudius, Matthias – Der tugendhafte Mensch

Man stelle einen tugendhaften Menschen und einen gewöhnlichen nebeneinander, und sehe den Unterschied. Den einen treiben und reißen seine Lüste und Begierden hin, wo er nicht hin will, um zu tun, was nicht taugt; er hat nimmer Ruhe und keinen Frieden, und ist wie die Woge des Meers, die in jedem Augenblick eine andere Gestalt hat und in allen Gestalten Wasser ist; der andere ist immer, was er sein will, immer derselbe Freud- und Friedenvolle, und sein Herz ist einem Tempel zu vergleichen, darin eine unsichtbare Gottheit wohnt, und wo die heilige Stille durch keinen Laut unterbrochen wird, als der für die Wahrheit schallt und zum Lobe Gottes.

Der Weg zum Glück
Ein Hausbuch für die christliche Familie
von Pfarrer Gustav Hofelich
C. Rieger’sche Verlagsanstalt. Stuttgart – München

Luther, Martin – Was heißt: an Christus glauben?

An Christus glauben, heißt nicht (glauben), daß Christus eine Person ist, die Gott und Mensch ist; denn das hülfe niemand nichts; sondern daß dieselbige Person Christus sei, das ist, daß er um unsertwillen von Gott ausgegangen und in die Welt gekommen ist, und wiederum die Welt verläßt und zum Vater geht. Das bedeutet: Das ist Christus, daß er für uns Mensch geworden und gestorben, auferstanden und gen Himmel gefahren ist; von solchem Amt heißt er Jesus Christus; und solches von ihm glauben, daß wahr sei, das heißt in seinem Namen sein und bleiben.

 

Der Weg zum Glück
Ein Hausbuch für die christliche Familie
von Pfarrer Gustav Hofelich
C. Rieger’sche Verlagsanstalt. Stuttgart – München

 

Naumann, Friedrich – Des Lebens Sinn

Wie im Traum gehen wir durch den Jahrmarkt des Lebens, und plötzlich einmal kommt uns das alles wie gemalte Torheit vor, und wir fragen uns selber, das da, ist das das Leben? Wozu der kurze Flug der Mücke, wozu Erhitzung und Anstrengung? Alles vergeht. Wer keinen Gott hat, für den ist tatsächlich die Welt der Schauplatz des Unverstandes. Was in aller Welt kann den vor Verzweiflung bewahren, der des Erdendaseins Nichtigkeit erkannt und keine höhere Hoffnung hat? Weil du, o Gott, bist, hat die Welt einen zusammenhängenden Inhalt.

Der Weg zum Glück
Ein Hausbuch für die christliche Familie
von Pfarrer Gustav Hofelich
C. Rieger’sche Verlagsanstalt. Stuttgart – München

Luther, Martin – Warum wir an Gott glauben

Kein Mensch empfindet die Gewalt Gottes kräftiger über sich, als wenn er die Jahre seines vergangenen Lebens betrachtet. Denn hier erkennt der Mensch, wie oftmals er vieles getan und gelitten hat ohne sein Bemühen, seine Fürsorge, ja ohne und gegen seinen Wunsch, Dinge, die er, ehe sie geschahen oder noch während sie geschahen, so wenig beabsichtigte, daß er erst, wenn sie vollendet waren, verwundert ausrufen mußte: „Wohin ist mir das geraten, daran ich nicht dachte, oder wo ich an ganz anderes dachte!“ Hier erweist sich die Wahrheit des Sprichwortes: „Der Mensch denkt und Gott lenkt“, d. h. Gott macht, daß es ins Gegenteil ausschlägt, und bewirkt, daß es ganz anders kommt, als der Mensch dachte. So können wir schon an diesem einen Punkte nicht leugnen, daß unser Leben und unsere Handlungen nicht von unserer Klugheit, sondern durch Gottes wunderbare Macht, Willen und Güte gelenkt worden sind. Und hier wird erkannt, wie gar oft Gott bei uns gewesen ist, da wir’s doch weder gesehen noch empfunden haben, wie Petrus sagt: „Er sorgt für uns.“

Der Weg zum Glück
Ein Hausbuch für die christliche Familie
von Pfarrer Gustav Hofelich
C. Rieger’sche Verlagsanstalt. Stuttgart – München

Harnack, Adolf – Wert der Religion

Die Religion, nämlich die Gottes- und Nächstenliebe ist es, die dem Leben einen Sinn gibt; die Wissenschaft vermag das nicht. – Es ist eine herrliche Sache um die reine Wissenschaft, und wehe dem, der sie gering schätzt oder den Sinn für die Erkenntnis in sich abstumpft! Aber auf die Fragen nach dem woher, Wohin und Wozu gibt sie heute sowenig eine Antwort wie vor zwei- oder dreitausend Jahren. Wohl belehrt sie uns über Tatsächliches, deckt Widersprüche auf, verkettet Erscheinungen und berichtigt die Täuschungen unserer Sinne und Vorstellungen. Aber wo und wie die Kurve der Welt und die Kurve unseres eigenen Lebens beginnt – jene Kurve, von der sie uns nur ein Stück zeigt – und wohin diese Kurve führt, darüber belehrt uns die Wissenschaft nicht. Wenn wir aber mit festem Willen die Kräfte und Werte bejahen, die auf den Höhepunkten unseres inneren Lebens als unser höchstes Gut, ja, als unser eigentliches Selbst ausstrahlen, wenn wir den Ernst und den Mut haben, sie als das Wirkliche gelten zu lassen und nach ihnen das Leben einzurichten, und wenn wir dann auf den Gang der Geschichte der Menschheit blicken, ihre aufwärts sich bewegende Entwicklung verfolgen und strebend und dienend die Gemeinschaft der Geister in ihr aufsuchen – so werden wir nicht in Überdruß und Kleinmut versinken, sondern wir werden Gottes gewiß werden, des Gottes, den Jesus Christus seinen Vater genannt hat, und der auch unser Vater ist.

Der Weg zum Glück
Ein Hausbuch für die christliche Familie
von Pfarrer Gustav Hofelich
C. Rieger’sche Verlagsanstalt. Stuttgart – München

Luther, Martin – Was der Glaube in uns wirkt

Der Glaube ist ein göttlich Werk in uns, das uns wandelt und neu gebieret aus Gott (Joh. 1,13) und tötet den alten Adam, macht aus uns ganz andere Menschen, von Herzen, Mut, Sinn und allen Kräften und bringt den heiligen Geist mit sich. Es ist ein lebendig, geschäftig, mächtig Ding um den Glauben, daß es unmöglich ist, daß er nicht ohne Unterlaß sollte Gutes wirken. Er fragt auch nicht, ob gute Werke da sind; sondern ehe man fragt, hat er sie getan und ist immer im Tun. Wer aber nicht solche Werke tut, der ist ein glaubloser Mensch, tappet und siehet um sich nach dem Glauben und guten Werken und weiß weder was Glaube noch gute Werke sind.

Der Weg zum Glück
Ein Hausbuch für die christliche Familie
von Pfarrer Gustav Hofelich
C. Rieger’sche Verlagsanstalt. Stuttgart – München

Ernst Moritz Arndt – Verfolgung

Wie wäre es bei uns, wenn Verfolgung käme? Ach, wie würden sich die Schafe der Herde zerstreuen! Wie viele würden abfallen und verleugnen, die jetzt fröhlich mitsingen und für gute Christen gelten! Würdest du fest und unbeweglich stehen, wenn es an dein Hab und Gut, an dein Weib und deine Kinder, wenn es dir an Leib und Leben ginge? Würde man von dir Loblieder hören, dass du gewürdigt bist, die Schmach Christi zu tragen? Oder würde es auch bei dir heißen: Ich kenne den Menschen nicht! Wir haben es zu gut, leben in Schutz und Sicherheit. Und doch, wenn auch keine äußere Verfolgung uns droht, es können Zeiten des Leidens und der Trübsal kommen, und es kommt für jeden eine Zeit und Stunde, wo es nötig ist, dass man seinen Beruf und seine Erwählung festgemacht hat.

Martin Luther – Über Joh. 14,6

Die Wege, die außer Christo sind, darauf man zum Vater kommen oder zur göttlichen Majestät hinaufsteigen wollte, das sind lauter jähe Oerter, auf welchen Niemand wohl stehen kann, sondern bald herunter fallen muß. Wer aber Christum, den Weg, die Wahrheit und das Leben, also erkannt und in sein Herz gepräget hat, der kann hernach sicher zum Vater aufsteigen und mit ihm zu thun haben. Denn wenn es betrifft den großen Sprung in’s ewige Leben, durch Sünd und Tod, Teufel und Hölle, zur ewigen Gerechtigkeit, das ist, zu Gott, Leben und Himmmel kommt, da gehört dieser Text her, der uns lehre, daß kein anderer Weg noch Steg, Brücke, Pfort und Ueberfahrt sei, denn dieser einige Christus.

Es ist die Summe dieses Spruchs auf’s Einfältigste gesagt, so viel als: Ergreife durch den Glauben Jesum Christum, so bist du auf dem rechten Wege; folge ihm nach in der Liebe, so wird das Licht der Wahrheit dir immer heller aufgehen; harre aus bei ihm in der Hoffnung auf seine Verheißung, so bist du selig schon hier, denn du hast das wahre, ewige Leben.

Luther, Katharina – Über ein Gesangbuch

Mir ist ein Gesangbuch aus sunder Lieb und Freundschaft geben worden, daß ich es lesen soll, welches in Behem gedruckt ist von einem gottsfürchtigen Mann. Sein Nam ist Michel Wiß, welchen ich leiblicher Person halb nit kenn. Wie aber der Herr sagt: aus ihren Früchten werdet ihr sie erkennen, also hab ich, da ich das Buch gelesen, müssen urtheilen, daß dieser Mann die ganz Bibel offen in seim Herzen habe, ja derselben ein Kundschaft und Erfahrnuß habe, wie die lieben zween Männer, Josua und Caleb, des gelobten Landes, nachdem sie es treulich besucht und durchwandert hatten aus Befehl des Herrn durch Mosen. Ich hab solchen Verstand der Werk Gottes in diesem Buch funden, daß ich wünsch, daß es alle Menschen verstünden. Ja, ich muß es vielmehr ein Lehr-, Gebet- und Dankbuch, dann ein Gesangbuch heißen. – Darum, lieber Christ, wer du auch seyest, dieweil du doch dein Kind und Gsind bisher viel wüste und schandliche Lieder hast singen lassen, so laß sie doch nun auch solch göttliche Lieder singen, darin sie ermahnt werden, Erkanntnuß ihres Heils zu suchen und sich zu Gott zu bekehren, darbei sie viel baß Gott gefallen, dann kein Pfaff, Münch oder Klosterfrauen mit ihrem unverständigen Chorgesang. Ich wünsch aber allen Menschen Erkanntnuß des Guten und das ewig Heil. Amen. K. Z.

Luther an seinen Beichtvater

„Viele denken, weil ich mich unterweilen in meinem äußerlichen Wandel frohlich stelle, ich gehe auf eitel Rosen; aber Gott weiß, wie es um mich steht meines Lebens halber Ich habe mir oft fürgenommen, ich wollte der Welt zu Dienst mich etwas ernstlicher und heiliger (weiß nicht, wie ich es nennen soll,) stellen: aber Gott hat mir solches zu thun nicht gegeben. Die Welt findet Gott Lob, kein Laster an mir, das sie mit Wahrheit mir konnte aufruckern,“