Bengel, Johann Albrecht – Pflicht und Liebe.

Wenn eine Seele mit inniger Liebe, mit herzlicher Aufrichtigkeit, mit beständigem Angedenken, mit brünstigem Verlangen, mit tiefer Anbetung, mit brennender Dankbarkeit für seine unaussprechlichen Wohltaten, mit heiligem Gehorsam nach seinen Geboten und Exempel, dem HErrn aufwartet und begegnet: daran hat Er seine Lust.

Wir können und sollen dem HErrn Jesu auch eine Freude machen, unser Verhalten nicht bloß als eine Pflicht und Schuldigkeit, weil es eben so sein muss, ansehen. Wer dieser Betrachtung täglich nachginge, der würde mit dem HErrn Jesu weit vertrauter werden.

Bengel, Johann Albrecht – Geistliches Genießen.

Wir sind nicht in der Welt, immer Köstliches zu genießen, aber wohl einen ruhigen Seelengrund und Frieden. Man isst auch nicht immer fort. Der Geschmack ist nur während des Essens, aber dieses gibt doch den Körper dauernde Kräfte. So ist es mit Gnadenblicken: sie müssen nicht beständig sein und geben doch die Kraft aufs Künftige.

Dadurch wird Gott nicht gedient, wenn wir uns an den Tisch sehen und immer Gnadenblicke speisen wollten. Oft ist ein Mensch unter dem Gedränge lauterer und in tieferer Abhängigkeit von Gott, als wenn er in heiterer Ruhe ist.

Bengel, Johann Albrecht – Anbetung.

Es ist etwas Wichtiges um die freiwillige Begierde unsrer Seele gegen Gott, dass wir Ihm die Ehre der Anbetung leisten (wenn wir schon für diesmal keine besondere Angelegenheit hätten), dass wir unser Herz zu Ihm erheben, und uns durch ein inniges Verlangen mit Ihm verbinden.

Die rechten heiligen Beter sind etwas Seltenes, aber in der ganzen Welt trägt es doch etwas aus. Es steckt da oder dort in einem Winkel oder Loch ein Kreuzträger, der viel eifriger betet, als Manche, die in aller Freiheit, Überfluss und Gemächlichkeit leben.

Bengel, Johann Albrecht – Verlangen.

Ein Gebet ist, wenn ich meines Herzens Verlangen zu meinem Gott richte und schicke, und entweder meine Begierde darbringe, um etwas, das Er mir geben möchte, oder meine Freude an seinem Namen, meine Hoffnung und Zuversicht zu Ihm bezeuge, und also meiner Seele Gesuch und Neigung kindlich an Ihn gelangen lasse.

Ein rechtes Gebet ist es, wenn man mit einem rechtschaffenen Herzen und Verlangen Gottes Gnade fasset und an sich ziehet, wie er uns dieselbe in Jesu Christo anträgt: wenn man seinen gnädigen Willen sich lässt eine Freude sein, und mit Dank rühmet, was er in Jesu Christo an uns getan hat.

Bengel, Johann Albrecht – Gebets-Macht.

Es ist etwas Vermögendes um das Verlangen einer Seele, die durch den Geist Gottes entzündet wird. Liegt doch in dem Willen eines Menschen eine solche Gewalt, dass wir gewarnt werden, nicht über einander zu seufzen, damit Gott nicht gedrungen werde, als Richter darein zu sehen. Wie viel größerer muss die Macht sein, wenn das Verlangen der Liebe Gottes und seinem Willen ganz gemäß ist, und sich auf eine wohlbefugte Weise darstellet?

Sobald eine Seele sich von sich selbst und von der Kreatur ab, und zu Gott kehrt, so ist das schon ein Schritt zur Heiligkeit, die zum rechten Gebet gehört; da kann man schon mit dem Gebet einen Anfang machen, sich Gott aufzuopfern.

Nur muss man nicht wieder zurück weichen, sondern beständig fortfahren; nicht in sich selbst liegen bleiben, sondern sich als ein Gefäß der göttlichen Gnade und Ehre halten.