An der schönen alten Abteikirche zu Werden befindet sich oben am Kreuz des Daches, mitten zwischen den andern Steinen, ein steinernes Lämmlein ausgemeisselt, ein einfaches Schäflein, ohne allen weiteren Schmuck, Fähnlein oder andere Beigabe. Mit dem steinernen Schäflein hat es folgende Bewandtnis.
An derselben Stelle, wo jetzt das gemeisselte Schäflein angebracht ist, sass einstmals ein Dachdecker an seiner Arbeit. Der Strick, der seinen Korb hielt, riss entzwei, und er stürzte hinunter in die Tiefe. Zudem lagen, weil an der Kirche gebaut wurde, viele spitze Steine und Felsblöcke umher, was die Gefahr noch erhöhte. Doch der Dachdecker steht heil und gesund auf; auch kein Finger ist ihm gekrümmt.
Und wie wunderbar ward ihm das Leben gerettet! Zwischen den Steinen und Felsstücken weidete ein Schäflein und suchte sich die Grashalme, die unter den Steinen hervorwuchsen. Auf dies Lamm war der Dachdecker gar weich und sanft gefallen. Das arme Tier ward durch den schweren und tiefen Fall des Mannes geradezu zerschmettert. Sein Tod rettete jenem das Leben. Gerührt erkannte das der Dachdecker auch an, und zur Erinnerung daran liess er das Schäflein in Stein meisseln und hoch oben am Kirchendach einsetzen. —
Verstehst du die Bedeutung, die diese wunderbare Lebensrettung für dich und mich hat? Kennst du den Abgrund, in den unsere Sünde uns gestürzt, und das Lamm, das durch sein Sterben uns vor dem Untergang bewahrt hat?