Johann Georg Hamann – Vom Reichtum der Bibel

Die Natur ist herrlich. Wer kann sie überblicken? Wer versteht ihre Sprache? Sie ist stumm, sie ist leblos für den natürlichen Menschen. Aber die Schrift, Gottes Wort, ist herrlicher, vollkommener. Sie ist die Amme, die uns die erste Speise gibt und uns stark macht, allmählich auf unseren eigenen Füßen zu gehen; die das Zauberband des Satans über unseren eigenen Sinnen und unserer Vernunft hinwegnimmt; die das Geräusch der wilden Leidenschaften in unserer Seele, von dem wir betäubt werden, daß wir uns selbst nicht unserer bewußt sind, in Stille, in Freude, in ewigen und himmlischen Frieden verwandelt. Gott läßt seine Güte die Menschen sehen und schmecken in tausend Gestalten, in tausend Verwandlungen, die nichts als Schalen seiner Güte sind, die durch die ganze Schöpfung als der Grund ihres Seins, ihres Segens fließt. Lasset uns die ganze Schrift als einen Baum ansehen, der voller Früchte, und in jeder einzelnen Frucht ein reicher Same eingeschlossen ist, in dem gleichfalls der Baum selbst und die Früchte desselben liegen. Dies ist der Baum des Lebens, dessen Blätter die Völker heilen und dessen Früchte die Seligen ernähren sollen.