Der Herr der Herrn, der König der Könige hat unsre Schwachheit nicht verachtet, hat sich des Saamens Abrahams angenommen. Da die menschliche Natur geflohen, weit von ihm geflohen war, hin zu dem Abgrunde des Verderbens, ist er ihr nachgeeilt und hat sie wiederum zurückgeführt. O Wunder, unser schwaches Fleisch ist so hoch geehrt worden, daß es das Wort des Vaters zur Einheit seiner Person erhoben hat! Gottes Sohn ist Mensch geboren, er ist arm geworden, um die Glieder seines Leibes an ewigen Gnaden reich zu machen! Darüber staunt der Himmel, es verwundert sich die Erde, der Mensch erbebt, die Engel beten an. Das ist ein Werk ohne Beispiel, eine Erniedrigung ohne Maaß, ein Geschenk ohne Gleichen.
Monat: März 2018
Hedinger, Johann Reinhard – Auf dem Sterbebett
Welch ein elender Mann wäre ich, wenn ich mich jetzt erst bekehren und unter vielen Ängsten auf der Ärzte Gesichter Achtung geben müßte, was sie von meiner Krankheit urteilen, und wie lange meine Buß- und Lebenszeit etwa noch währen könnte. So aber kann ich mich mit süßer Ruh in den Arm und Schoß meines Jesu, dem meine Seele anhängt, als ein Kind hinlegen und mein schon längst bestimmtes Stündlein mit Freuden erwarten. Ich weiß, mein vielleicht baldiges Ende ist kein Gericht Gottes über mich, sondern es wird offenbar werden, was Gott mit meinem Sterben beabsichtigt. Wie mir die Lästerungen, an denen es mir in meinem Leben nie gemangelt hat, nie geschadet, so werden mich diese noch viel weniger nach meinem Tod aus den Armen meines Jesu herausreißen können, vielmehr wird dadurch das Ehrenkleid und der Schmuck, womit mein Heiland mich zieren wird, nur herrlicher und glänzender gemacht werden. Indessen ist Gott, vor dessen Angesicht ich vielleicht bald erscheinen werde, mein Zeuge, daß ich dem wahrhaftigen Frieden allezeit nachgejagt, also auch von keinen Feinden weiß, als von solchen, welche dem Reich Christi zuwider sind. Zwar bin ich bereit, wenn Gott es so will, gern und willig noch den Angstkarren zu ziehen; doch halte ich dafür, daß ich das Meinige nunmehr in der Welt getan, und wenn Gott mich nicht mehr tüchtig erkennt, noch weiter etwas zu seinem Preise zu tun oder zu leiden – o wie gerne trete ich dann ab von der Warte!
Hedinger, Johann Reinhard – Aus dem Vorwort zum „Passionsspiegel“
Mehr ist nicht übrig, als daß ich euch samt und sonders vor dem Angesicht des Gekreuzigten erinnere, seine Wunden mit keinerlei mutwilligen Sünden wieder aufzureißen oder sein teures Blut mit beharrlicher Ungerechtigkeit zu verunreinigen. Bittet diesen euren Jesus, daß er euch von seinem Geist das nötige Maß, seine reich erworbenen Gnadenschätze und eure Pflicht zu erkennen, mitteile, euren schwachen Glauben in aller Anfechtung stärke, die strauchelnden Knie, gewisse Ritte zu tun, befestige, das Reich der Finsternis zerstöre, hingegen die Zahl der Heiligen, welche ihm in der Wahrheit dienen, vermehre und die, welche leiden sollen, wenn das Gericht angehen wird am Hause Gottes, mit standhafter Geduld waffne! Er drücke sein schönstes Bild in unsere Seelen und entzünde sie mit himmlischer Liebe, welche zu erwerben er sich in den bittersten Tod gegeben hat, damit wir darein verwandelt und als kostbar Erlöste einmal recht frei werden mögen von der schnöden Dienstbarkeit und Besudelung, dadurch das Bild und Name Gottes und der und der Gnaden an so vielen verloren Gehenden leider geschändet wird. Haltet ewiglich im Gedächtnis den Gekreuzigten und sterbet mit ihm täglich, so werdet ihr auch mit ihm leben.
Markus Hauser – Mancherlei Gaben, doch nur ein Geist
Ein Christ kann den Heiligen Geist in reicher Fülle haben, ohne eine spezielle Gabe des Geistes zu besitzen. Der Geist teilt einem jeden zu, wie er will. Und er gibt seine Gaben zum gemeinen Nutzen. Die Gemeinde Christi soll dadurch erbaut werden. Wenn ein Wiedergeborener nicht Wunder tun, nicht Kranke gesundmachen, nicht weissagen kann, so ist das nicht ein Zeichen des mangelnden Geistes. Wem der Heilige Geist keine besondere Gabe mitteilen will, der soll sich nicht verkürzt fühlen. Wer besondere Aufgaben im Namen Jesu zu lösen hat, dem teilt der Heilige Geist eine diesbezügliche Gabe mit. Wer aber gegen den Geist stets treu ist, der kann auch ohne besondere Gabe im Reiche Gottes Herrliches wirken. Alle Geistgetauften können und müssen zur Ehre Gottes tätig sein; aber es gibt noch neben den treuen Arbeitern eine kleine Schar auserwählte Rüstzeuge, die als Herolde des Herrn mächtig wirken in der Kraft des Heiligen Geistes. „Ihr seid das Licht der Welt“, sagt Jesus zu seinen Jüngern. Aber nicht alle sind Apostel oder Wundertäter oder des etwas. In allen, die der Heilige Geist erfüllt, ist für Jesus zeugende und für Jesus wirkende Kraft, aber sie haben nicht alle dieselbe Aufgabe. Kalte, tote Herzen werden angefaßt und entzündet, wo sie mit Geisterfüllten in Berührung kommen. Wo aber noch dazu besondere Gaben des Heiligen Geistes sich finden, da ist eine Befähigung und eine göttliche Bestimmung, für das große Ganze des Reiches Gottes zu wirken. Es ist wichtig, daß die Gemeinde des Herrn nicht ohne diese Gaben sei.
Hamann, Johann Georg – Wer den Geist Gottes hat, versteht die Schrift
Wie der Geist Gottes die kleinsten Ordnungen, welche in seinem Dienst gemacht werden, aufgezeichnet und die kleinsten Umstände anmerkt! Es ist eben dies die Art, wie er in unseren Seelen wirkt. Wer den Geist Gottes in sich fühlt, wird ihn gewiß auch in der Schrift fühlen. Wie er die kleinsten Umstände, die uns begegnen, anwendet, um die Menschen zu erbauen, aufzurichten, zu erfreuen, zu trösten und zu warnen! So wahr ist es, daß seine Absicht gewesen, keinen andern als Gläubigen, als wahren Christen durch sein göttliches Wort zu gefallen. Der Ungläubige geht ihn nichts an, er mag so einfältig und so gelehrt sein wie er will. Er ist versiegelt für ihn. Der Gläubige ist sein Vertrauter. Er läßt sich schmecken von dem einfältigsten wie von dem tiefsinnigsten Verstande mit gleicher Wollust, mit gleichem Reichtum, himmlischer Wahrheit und übernatürlicher Gnade.
Hamann, Johann Georg – Warum die Bibel in Gleichnissen redet
Die Schrift kann mit uns Menschen nicht anders als in Gleichnissen reden, weil alle unsere Erkenntnis sinnlich und der Verstand und die Vernunft die Bilder der äußeren Welt allenthalben zu Zeichen geistiger und höherer Begriffe macht. Außer dieser Betrachtung sehen wir, daß es Gott gefallen hat, seinen Rat mit uns Menschen zu verbergen, uns so viel zu entdecken, als zu unserer Rettung und zu unserem Trost nötig ist, zu gleicher Zeit aber auf eine Art, die die Klagen der Welt, die Herren derselben, hintergehen sollte. Daher hat Gott verächtliche, ja Undinge zu Werkzeugen seines geheimen Rates und verborgenen Willens gemacht.
Ich wiederhole mir selbst diese Betrachtung so oft, weil sie mir ein Hauptschlüssel gewesen, Geist, Hoheit und Geheimnis, Wahrheit und Gnade da zu finden, wo der natürliche Mensch nichts als eine Redensart oder Eigenheit der Grundsprache, der Zeiten, des Volkes, kleine Wirtschaftsregeln und gemeine Sittensprüche findet.
Johann Georg Hamann – Vom Reichtum der Bibel
Die Natur ist herrlich. Wer kann sie überblicken? Wer versteht ihre Sprache? Sie ist stumm, sie ist leblos für den natürlichen Menschen. Aber die Schrift, Gottes Wort, ist herrlicher, vollkommener. Sie ist die Amme, die uns die erste Speise gibt und uns stark macht, allmählich auf unseren eigenen Füßen zu gehen; die das Zauberband des Satans über unseren eigenen Sinnen und unserer Vernunft hinwegnimmt; die das Geräusch der wilden Leidenschaften in unserer Seele, von dem wir betäubt werden, daß wir uns selbst nicht unserer bewußt sind, in Stille, in Freude, in ewigen und himmlischen Frieden verwandelt. Gott läßt seine Güte die Menschen sehen und schmecken in tausend Gestalten, in tausend Verwandlungen, die nichts als Schalen seiner Güte sind, die durch die ganze Schöpfung als der Grund ihres Seins, ihres Segens fließt. Lasset uns die ganze Schrift als einen Baum ansehen, der voller Früchte, und in jeder einzelnen Frucht ein reicher Same eingeschlossen ist, in dem gleichfalls der Baum selbst und die Früchte desselben liegen. Dies ist der Baum des Lebens, dessen Blätter die Völker heilen und dessen Früchte die Seligen ernähren sollen.
Johann Georg Hamann – Gott hat reichen Vorrat
Gott hat unseren Seelen einen Hunger nach Erkenntnis, ein Verlangen zu wissen, eine Unruhe, wenn wir uns an einem finsteren Ort befinden – er hat uns einen Durst der Begierden gegeben, die lechzen, die schreien nach einem Gut, das wir so wenig zu nennen wissen wie der Hirsch das frische Wasser, das wir aber erkennen und in uns schlucken, sobald wir es antreffen. So wie wir für unseren zeitlichen Hunger und Durst einen reichen Vorrat in der Natur finden, daß für jeden Geschmack gesorgt ist, so hat Gott gleichfalls Wahrheit und Gnade, Brot und Wasser, Manna und Wein zur Nahrung und Stärkung unserer Seele zubereitet.
Jedes Wort, das aus dem Munde Gottes geht, ist eine ganze Schöpfung von Gedanken und Bewegungen in unserer Seele; Weisheit, Verstand, um den uns die Teufel beneiden, der uns ehrwürdig in ihren Augen macht.
Das Wort Gottes ist gleich jenem flammenden Schwert, das allenthalben sich hinkehrt, oder gleich dem Licht, das alle Farben in sich hält.
Die Heilige Schrift sollte unser Wörterbuch sein, unsere Sprachkunst, worauf alle Begriffe und Reden der Christen sich gründen und aus welchen sie beständen und zusammengesetzt würden.
Grafe, Hermann Heinrich – Ausdauer ist besser als Begeisterung
Die Gleichmäßigkeit der Ausdauer im christlichen Leben, in Glauben, Lieben, Hoffen, erfordert eine größere Fülle und Kraft des Lebens aus Gott, als jene momentanen Aufregungen des Gefühls bis zu den Ekstasen nervöser Wunderwirkungen. So steht ja auch nach 1. Kor. 14 das nüchterne Weissagen weit über dem begeisterten Zungenreden, so daß Paulus Vers 19 sagt: „Ich will in der Gemeinde lieber fünf Worte reden mit meinem Sinn, auf daß ich auch andere unterweise, denn zehntausend Worte mit Zungen.“ – Herr Jesu, gib mir mehr Einsicht und Kraft deines Wortes als bloße Taten und Worte aus eigener Begeisterung!
Gellert, Christian Fürchtegott – Sonntagsheiligung
Wir gehen mit dem Sonntage zu leichtsinnig um, und ich bin überzeugt, eine frömmere Anwendung desselben sey zum Wachsthum in der Religion und Gottseligkeit ein unentbehrliches und zugleich das beste Mittel. An diesem Tage sich von allen irdischen Geschäften losreißen, sein Herz prüfen, zum Himmel erheben, dasselbe mit den Wahrheiten des Glaubens nähren und stärken, heißt es auf die ganze Woche stärken, und sich zur rechtschaffenen Ausübung seines Berufes vorbereiten. Wer den Sonntag würdig feiert, wie kann der wohl die übrigen Tage unwürdig zubringen? Wer ihn elend anwendet, wie kann der an die Pflicht glauben, die übrigen gut anzuwenden?Höre mich, wer du auch seyst, der du dieses liesest: auf die Anwendung des Sonntags kommt die Anwendung der Woche an. Vergiß an diesem Tage die Kleinigkeiten der Erde! Sey ganz der Religion und dem Himmel gewidmet! Fühle die Wohlthaten Gottes, das Glück frommer Freunde und ihrer Gespräche, die Freuden der Natur und ihrer Wunder. Bete, danke, erforsche dein Herz. Erkenne, daß du von Gott allein die Kräfte zu deiner wahren Wohlfahrt hast. Suche sie demüthig von Ihm, und sey dankbar für diejenigen, die du empfängst. Wir vergessen unsere Schwachheit und unsere Unwürdigkeit unter dem Tumult der Geschäfte und Angelegenheiten des Lebens gar zu leicht, wenn wir nicht eine gewisse Zeit festsetzen, unser Unvermögen und die Macht und Güte Gottes, unsere Unwürdigkeit und Seine Hoheit zu erkennen. Diesem Geschäfte sollte der Sonntag gewidmet seyn. Er ist der Tag des Gebets und der Ruhe, worin die Seele allein ihr wahres Glück findet.