Johann Albrecht Bengel – Alltägliches Tun.

Wer dem HErrn Jesu Christo recht dienet, der tut, auch in äußerlichen und weltlichen Dingen, Nichts nach eigenem Willen, sondern in rechtem Gehorsam, mit reinem Gewissen. Es mag das Tun und Lassen dem Namen nach noch so natürlich und bürgerlich oder häuslich sein, tut man es in der Liebe zu Gott, und in der Gemeinschaft mit Jesu Christo, so ist es lauter angenehmer Gottesdienst.

Johann Albrecht Bengel – Vorsichtiger Wandel.

In diesem Leben ist Böses und Gutes vermengt. Oft hat das Böse den Schein des Guten. Da bedarf es unverwandter Zukehr zum rechten Ziel. Es hängt die Seligkeit daran. Mannigfach ist der feindliche Hinterhalt. Vorsicht tut Not, insonderheit wenn das Herz gerührt wird. Merke: was den Weg enge macht, aber nicht verschließt, das ist recht; was den Weg breit macht, das ist falsch. Falsche Lehre schmeichelt dem Fleisch. Bewahre Gottes Wort und dein Herz.

Johann Albrecht Bengel – Siehe auf dich selbst.

Des Menschen Herz ist voll Falschheit und Tücke, will gerne für fromm angesehen sein; schmeichelt in seiner Eigenliebe gerne sich selbst; sieht auf Andere, sich selbst zu schmücken. Sein Zustand ist Heuchelei; das Böse anklagen und teilweise meiden; das Gute loben und teilweise tun; ohne lautere Liebe zu Gott, nicht in der rechten Verleugnung, nicht mit völligem Herzen.

Halte dich an Gott, als ob du allein, und sonst kein Mensch, ihn zu suchen hättest. Halte den Zustand deines Herzens nicht gegen das Urteil anderer Menschen, sondern an das Licht Gottes. Lass dein Herz mit Gottes Wort zichtigen, dass es von Grund aus geheilt werden möge, indem es den eigenen Notstand und Gottes Erbarmung erfährt.

Johann Albrecht Bengel – Demut.

Wie ist es so was edles um die Herzens-Demut! und wie ist hingegen die Selbsterhebung so allgemein unter natürlichen Leuten! Wenn auf dem Grasboden die Gräslein einen Verstand hätten: hätte das, so um ein Fingerbreit höher ist, auch Ursache, sich etwas darauf einzubilden? Und das ist der Kram der Menschen. Bei solcher Einbildung, da eins sich größerer dünkt, als das andere, kann man sehen, was es für ein heilloses Ding ist um das menschliche Herz.

Bengel, Johann Albrecht – Wachen und Schlaf.

Die geistliche Wachsamkeit ist eine Munterkeit des innern Menschen und ein ungehinderter Gebrauch der geistlichen und der natürlichen, durch die Gnade erneuerten, Sinnen, da ein Mensch in dem Licht Gottes recht bei sich selbst und sein selbst mächtig ist.

Ein natürlicher Mensch, ehe das Leben und Licht in ihn eintritt, ist, der geistlichen Dinge halber, im Todesschlaf versunken, und mit seinem übrigen Tun ist er wie ein Träumender. Ein solcher hat eine Menge Phantasien nacheinander, aber er kann sich bei denselben nicht regieren, sondern, wie ihn seine Lüste und Einfälle von einer Stunde zur andern ankommen, so folget er.

Wenn er aber etwas vom Licht der Gnade inne wird, so ist ihm zugleich die Freiheit zu einem guten Anfang angetragen: er kann sich entweder dem Guten ergeben, oder dagegen wieder einschlafen.

Bengel, Johann Albrecht – Er ist nahe.

Wenn wir die Gegenwart des HErrn bei den Seinigen auf Erden, wie er wandelt mitten unter den Gemeinden, seine Aufsicht und Gewalt allezeit bedächten, wie würden wir, in der Einsamkeit und in der Gesellschaft, bei der Übung des göttlichen Wortes und des Gebets, und sonderlich auch in den Versammlungen, so ehrerbietig und eifrig sein!

Übe deine Seele, dass sie sich an die Gegenwart des HErrn Jesu halte, dass sie zu ihm sagen kann: Du, HErr, bist bei mir: ich sehe Dich nicht, Du siehst mich. Ich darf Dich aber anreden, als ob ich Dich vor meinem Gesicht hätte. Wandle immerhin bei mir, und gib, dass ich mich im Glauben so an Dich halte, als ob ich Dich schon im Schauen hätte!