Nikolaus von Zinzendorf – Begnadigung

In der ersten Bewegung (der Begnadigung) glaubt man über Alles weg zu sein; man fühlt sein Elend nicht; man ist so voll Trost, Seligkeit und Freude, dass man ganz betrübt wird, davon reden zu hören, was man in den folgenden Tagen nur zu viel erfährt, nämlich, dass man eine menschliche schwache Seele bleibt, die zu Allem fähig ist, und die nur ein einziges Mittel und Arznei hat, sich zu erhalten. Und dieses Mittel geht über alle Vernunft, und besteht in einer innigen, täglichen Vereinigung mit Jesus, und in dem Kontrakt mit dem heiligen Geist, den er uns treulich hält, uns vor der geringsten Gefahr und der ersten Regung unserer Natur zu warnen, und dass wir uns, ohne zu bedenken, was es ist, gleich in die Arme unsers Heilandes werfen und zu Ihm sagen wollen: Nimm mich in Schutz, da ist ein Gespenst, etwas, das mir Böses tun will, ein Anfang von meinem ehemaligen Zustand. Ich habe kein Vertrauen in mir selbst; ich fürchte mich, selber nachzusehen, was es ist. Lass doch nicht zu, dass sich das Geringste an mich mache, denn ich bin dein, ich bin dein Blutgewinn.

Nikolaus von Zinzendorf – Glaube

Glaubt man an den Tod des Versöhners, so genießt man die Früchte Seines Todes in täglicher Erfahrung, man wird in beständigem Umgang mit Ihm so stark, dass nur die Hälfte Glaube da ist, die andere Hälfte ist Besitz, Haben, Genuss und Leben in der Sache. In dem Sinne sagt der Apostel: Unser Wandel ist im Himmel: wir erwarten nur noch unsern Herrn Jesus Christus daher; dann sind wir fertig. Was unsichtbar und noch zu hoffen ist, das hat unser Herz eingenommen, als wär es gegenwärtig.

Nikolaus von Zinzendorf – Gott fordert Glauben

Gott begehrt nicht, dass es uns begreiflich sei, sondern Glauben fordert Er. Die Millionen Menschen, die ihren Schöpfer alle Tage lästern, der ihr Heiland ist nach der Schrift, und für ihre Sünden wie für die unsrigen gestorben ist, machen einen bedenklich. Ist es möglich, denkt man. Und wie kann man sich darüber zufrieden geben? Man hilft sich eben so am besten: Wer war ich, und wer bin ich noch? Es ist wahr, die ganze Welt liegt im Argen; es ist aber auch wahr, dass alle Welt erlöst ist, weil Er nicht nur für unsere, sondern der ganzen Welt Sünde gestorben ist zur Versöhnung. Darum, was heute Vormittags noch ein Teufelskind war, kann den Nachmittag schon in des Heilands Arme liegen (weswegen der Herr auch Niemand gern gerichtet haben will, weil sichs so leicht mit einem Menschen ändern kann.) Und da kommt man immer auf sich zurück und denkt: Hat es mit mir gehen können, so kann es mit allen Menschen gehen. Denn wenn ein Kind Gottes, und wenn es schon viele Jahre mit dem Heiland gelebt hat, auf seine Untreuen und Schulden denkt, so verdammt es sich immer erst vor andern Menschen. Der einzige Trost ist: aus Gnaden wird man selig! Und den Weg müssen und können alle Menschen gehen.

Nikolaus von Zinzendorf – Sünde bekennen

Es ist ein Unglück für uns, wenn wir was Böses denken oder tun; wenn es aber nun geschehen ist, so ist Jesus die erste Person, zu der man damit am allerunbedenklichsten fliehen mag. Dem kann man sicher sagen, was man getan oder noch im Gemüt hat, und weist zugleich auf das ganze Elend und Verderben der Seele. Mein Heiland, so bin ich! Das hat man nicht so geschwind gedacht, mit dem Vorsatz, dass Er wissen soll, so ist es, als wenn einem eine schwere Last vom Halse fiele. Das bloße sich erklärt haben, bringt schon Trost mit sich.

Nikolaus von Zinzendorf – Anhänglichkeit an den Herrn

Die Anhänglichkeit an den Herrn steht der Gemeinschaft der Kinder Gottes im geringsten nicht im Wege, sondern macht uns so demütig, dass man glaubt, ein Anfänger von gestern her, könne uns heute schon was lehren(Deswegen soll aber kein Kind von gestern her nicht gleich lehren wollen. Man kann von ihm lernen und es lehren, ohne es zu wissen und zu wollen; denn wenn es dies will, so ist es schon nicht mehr Kind.).

Nikolaus von Zinzendorf – Gottes Hand über uns

Der Heiland muss jedem seligen Herzen in seinem Leben ohnfehlbar einmal die Hand aufgelegt, und es von allen Sünden absolviert haben. Da erfährt man, was die Jünger des Heilandes in den Tagen Seines Fleisches einigemal erfahren haben, da sie von Ihm angerührt und gesegnet worden. Von dieser lieben Nähe erfährt jedes Herz wahrhaftig etwas. Es müssen dazu nicht eben tausend, oder fünfhundert, oder siebzig, oder elf beisammen sein; zwei sind genug für Ihn, der dritte Mann dabei zu sein und sein Dasein selig fühlen zu lassen. Und wenn auch Eines wo allein wäre, so ist es dem Heiland auch recht zu seiner Gesellschaft. Er hat den Nathanael gesehen und seines Herzens Gedanken gehört, da der ganz allein unter dem Feigenbaume war. Wer den Namen des Herrn anruft, wo es ist, dem wird Er gewiss antworten, ihn zu Sich ziehen und selig machen. Die Hand, die einen einmal gesegnet, bleibt dann immer über einem ausgestreckt, wie David sagt: Du hältst deine Hand über mir. Psalm 139,5.

Nikolaus von Zinzendorf – Er ist unser Hirte

Der Herr ist der Hirt, uns kann es nie mangeln. Er ist unser Fleisch und Blut; so sitzt Er auf dem Throne seiner Herrlichkeit; und die geringste seiner Kreaturen hat so viel Recht und Zugang, als die vornehmste; der geringste Hirtenknabe sowohl als der höchste Monarch auf Erden. Er schämt sich seiner Geschwister gar nicht. Und uns liegt daran, sein zu sein und sagen zu können: Mein Bruder! den ich lieber habe als alle Schätze der Erde! Das Liebste, das ich auf Erden habe, ist nie das erste, sondern das zweite. Mein Freund, der Sein Leben für mich gelassen, hat den Rang über Alles. Mit Ihm kommt gar nichts in Vergleichung. Er sei auch wer er sei, so ist es doch nicht der Heiland.

Nikolaus von Zinzendorf – Wahrheiten

Kein Mensch (er mag sich stellen, wie er will) kann im Herzen den für einen Narren halten, der aus Dankbarkeit über dem Gefühl und Genuss der Wahrheiten, die alle Christen Gottes Wort nennen, sich lieber zwanzig, dreißig Jahre schmähen und verfolgen lässt, als dass er, wenn er nach seiner Jahre Lauf hinwegberufen wird, dort beschämt wird, und Ihm nichts antworten kann, wenn Er sich auf sein Buch beruft, und auf aller der Menschen Zustimmung, die nie das Herz gehabt haben, der Wahrheit zu widersprechen. Darum bestehe ich auf dem, was zu allen Zeiten von Allen, was Christenwelt heißt, für Gottes Wort erkannt worden ist.