Ambrosius – Geduld gegenüber Beleidigungen

Wenn uns einer schmäht, neckt, zu Tätlichkeiten reizt, zu Zank herausfordert, dann laßt uns Schweigen üben! Wir wollen uns dann nicht schämen, zu verstummen. Denn ein Sünder fordert uns heraus, einer, der Unrecht tut und uns zu seinesgleichen haben möchte. Wenn du schweigst und dir nichts anmerken läßt, spricht er gern: „Was schweigst du? Sprich doch, wenn du dich getraust. Aber du traust dich nicht, du bist stumm. Ich habe dir den Mund gestopft.“ Schweigst du, so schreit er noch mehr, hält sich für besiegt, genarrt, verachtet und verspottet. Erwiderst du, so fühlt er sich als den Überlegenen, weil er seinesgleichen gefunden hat.Schweigst du, so heißt es: „Er hat diesen beschimpft und dieser ihn mit Verachtung gestraft.“ Erwiderst du sein Schimpfen, so heißt es: „Beide haben sich in Schmähungen ergangen.“ Das Urteil straft beide und spricht keinen frei. Er geht also geflissentlich darauf aus, mich zu reizen, daß ich ähnliches rede und tue wie er.

Der Gerechte aber hat die Pflicht, sich nichts merken zu lassen, nichts zu erwidern, die Pflicht des guten Gewissens zu bewahren, mehr dem Urteil der Guten als der Unverschämtheit eines Lästermauls anheimzufallen und damit zufrieden zu sein, die Würde im Verhalten bewahrt zu haben. Das nämlich heißt „ob der Freuden zu schweigen.“ Denn wer ein gutes Gewissen hat, darf sich nicht über falsche Anschuldigungen aufregen und nicht glauben, fremder Schimpf wiege schwerer als das Selbstzeugnis.

De officiis 1,17