Johann Heinrich Pestalozzi – Von der Liebe zu Gott und dem Nächsten

Die Liebe bestehet nicht in Einbildungen und Worten, sondern in der Kraft des Menschen, die Last der Erden zu tragen, ihr Elend zu mindern und ihren Jammer zu heben. Der Gott der Liebe hat die Liebe an die Ordnung der Erde gebunden, und wer für das, was er in der Welt sein soll, nicht in der Ordnung ist, der ist auch für die Liebe Gottes und des Nächsten in der Welt nicht in Ordnung. Wer immer nicht ist, was er sein soll, nicht kann, was seine Pflicht ist, und zu dem nicht taugt, was ihm obliegt, dem mangelt die erste Kraft der reinen Liebe Gottes und des Nächsten.

Jakob Vetter – Von der Demut.

Wer in Gott seine Ruhe finden will, der muß diese Gnade der Demut und Sanftmut empfangen. Wer sich nicht der Demut befleißigt, bleibt in der Unruhe und wird nie in seinem Gott sein Lebenselement finden. Ein Knecht Gottes sagte einmal: „Die Demut ist das Fundament aller Tugend und der sicherste Weg zum ewigen Heil. Niemand schäme sich der Demut; denn dadurch wird er dem König an Ehre ähnlich. Ohne Demut arten alle andern Tugenden in Untugenden aus.“ — Was ist Demut? Im Hebräischen kommt Demut von Leiden, wenn einem der „Hohe Mut“ (Hochmut) gebrochen; im Griechischen von „niedrig gesinnt sein“. Der Demütige hat keine hohen Gedanken mehr, er unterwirft sich seinem Gott.

Jakob Vetter – Wie bekommt man die Demut?

Sie ist vor allem ein Gnadengeschenk Gottes. Wer in Gott eingekehrt ist und erfüllt wird mit dem Heiligen Geist, der bekommt dieses Kleinod als eine Frucht des Geistes. Das geschieht durch wahre Buße. Wo die ist, da bereut man gründlich seine Sünden und erkennt seine Unreinigkeit und verborgene Bosheit, ja das ganze Verderben seines Herzens. Ein Mensch, der solche Selbsterkenntnis hat, der unterwirft sich seinem Gott. Er ist willig, allem zu entsagen, damit er Gott findet. Hier wird der böse Geist des Hochmuts überwunden und die Demut geboren. In der Seele entsteht ein großes Hungern und Dürsten nach dieser Gnade. Die Demut kann von Gott nicht lassen. Man muß also Gott inbrünstig lieben, dann begnadigt er uns mit dieser Gabe. Ein alter Heiliger hat gesagt: „Die Liebe ist die Mutter der Demut, und je mehr diese Liebe Gottes in uns zunimmt, desto größer wird der heilige Haß unserer selbst in uns; denn nun lehrt uns diese, wie unrecht wir uns bisher geliebt haben, und wie in Zukunft wir uns lieben sollen. Denn nur dann lieben wir uns echt und wahrhaftig, wenn wir uns vor dem hohen Gott erniedrigen und demütigen.“

Jakob Vetter – Von dem Eins sein der Seele mit Gott

Die Vereinigung einer Seele mit Gott ist die tiefste und herrlichste Erfahrung, die ein Mensch machen kann. Für Welt, Sünde, Finsternis und Selbstleben ist er gestorben. Was er lebt, lebt er verborgen mit Christo in Gott. Er kann mit Paulus sagen: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Er lebt mit Christus verborgen in den ewigen Tiefen seines Gottes. O, wunderbares Geheimnis!

Jakob Vetter – Über das Gebet

Wie gelangt man zu einem rechten Gebetsleben? Ein Gebetsleben ist ein Leben mit Gott, aus Gott, in Gott und für Gott. Das ist nur möglich bei wahrhaft Wiedergeborenen. Ich muß das voraussetzen, damit ich nicht mißverstanden werde. Um Gebetserhörungen zu erleben, braucht man kein Kind Gottes zu sein. Gott erhört auch die unbekehrten Sünder, ja, selbst die Raben, die zu ihm schreien. Ein Gebetsleben aber können nur die führen, die dem Reich der Finsternis entrückt und in das Lichtreich versetzt sind. Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis. Wer mit dem Vater des Lichts Gebetsumgang haben will, muß gewaschen sein von seinen Sünden. — Unser ganzes Leben muß in seiner Gegenwart in Ordnung gebracht sein. Das ist ganz natürlich. Und wie es gilt, den Herrn mit sich reden zu lassen im innern Gericht, in verborgener Geisteszucht, so gilt es auch, ihn reden zu lassen im äußeren Gericht, in dem, was unser Lebensweg Dunkles, Bitteres und Schweres mit sich führt. — Dieses und vieles andere gehört dazu, um ein Gebetsleben leben zu können. Laß es dich nicht verdrießen, wenn du nicht gleich in den ersten Tagen oder Wochen zu einem solchen Gebetsleben durchdringst! Wenn auch dein Gebetsumgang mit Gott hundertmal unterbrochen wurde, laß dich durch keine unangenehmen Erfahrungen entmutigen! Der Schade einer Unterbrechung deines Gebetslebens ist groß; aber noch schlimmer ist es, wenn du nach solcher Unterbrechung nicht sogleich wieder zu deinem Gott zurückkehrst.

Eduard Graf von Pückler – Die Hauptsache

„Die Hauptsache ist jetzt für alle, die Zeit haben, sich dem Gebet mit großer Inbrunst zu widmen. Wir sollten viel beten, daß das Reich Gottes zu uns und zu unserm Volk komme. Entweder wir treten jetzt in den Riß für unser ganzes Volk, oder wir gleichen nicht Abraham noch Nehemia noch all den Seelen, auf deren Gebet hin Gott einem ganzen Volke Rettung und neues Heil schicken konnte in schwerster und allerschwerster Zeit. Gott sucht auch jetzt, ob jemand sich zur Mauer mache und in den Riß trete vor ihn für das Land, auf daß er es nicht verderbe.“

Tersteegen, Gerhard – Gott muß überall Meister bleiben

Daß Du durch Anfechtungen geübt worden bist, glaube ich Dir gerne. Ohne Proben und Übungen kommen wir nicht zum Ziel. Zwar kommt manches aus eigener Schuld. Gottes unendliche Güte in Christo aber trägt und hilft uns wieder mit wunderbarer und anbetungswürdiger Langmut. Wir könnten’s doch manchmal besser und näher haben, wenn wir fein bei der Herzenseinfalt bleiben und nicht aus guter Meinung zu früh groß und klug sein wollten. Die Absicht ist sicher gut: man will gern fortschreiten in seinem Christentum. Und in dieser Absicht forscht, liest, hört man allerhand, welches wir dann nicht alles fassen, miteinander reimen und verdauen können. Ich weiß, was ich in diesem Stück habe durchmachen müssen. Meine Seele dankt noch bis diese Stunde dem lieben Gott, daß er mich in meinen ersten Jahren vor allerhand Bekanntschaften und Gelegenheiten, so mancherlei zu hören und zu sehen, bewahrt hat.

Darum wundert’s mich nicht, daß Dir der Umgang mit Freunden hie und da keine Befestigung gebracht hat. . . So hab‘ ich’s auch so gern nicht gesehen, wann Du Dir viel und allerhand Arten geistlicher Bücher ausgesucht hast. Gar nicht, als ob ich etwas wider solche Bücher und Freunde hätte. Nur ist nicht alles, was in sich selber gut ist, darum auch für uns gut. Manche auch teure Wahrheit kann uns verwirren oder aufhalten, wann wir sie vor der Zeit wissen wollen (Joh. 16, 12). Gott muß überall Meister und wir seine Schüler bleiben, die sich fein bei der aufgegebenen Lektion halten.

Tersteegen, Gerhard – Was ist Beten?

Keine Kunst in der ganzen Welt ist einfältiger und leichter als recht beten; ja, es ist gar keine Kunst. Und wenn wir meinen, wir könnten nicht beten, das ist ein Zeichen, daß wir noch nicht recht verstehen, was Beten ist. Beten ist, den allgegenwärtigen Gott ansehen und sich von ihm besehen lassen. Was ist nun leichter und einfältiger, ah die Augen aufzutun und das Licht anzusehen, welches uns von allen Seiten umgibt? Gott ist uns weit mehr gegenwärtig als das Licht. In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir. Er durchdringt uns, er erfüllt uns, er ist uns näher, als wir uns selber sind. Dieses einfältig zu glauben und sich dessen einfältig, so gut man kann, zu erinnern, das ist Beten. Und wie sollte es auch schwer fallen, sich von einem so gütigen Arzt besehen zu lassen, der schon besser weiß, was uns fehlt, als wir selber wissen!

Wir haben nicht nötig, dieses oder jenes zu bringen, uns so oder anders zu stellen oder allemal viel zu sehen und zu empfinden, wenn wir beten wollen, sondern wir sollen’s nur einfältig und kurz sagen, wie wir sind, und wie wir gern sein wollten. ]a, es ist eben nicht allezeit nötig, daß wir’s sagen, sondern wir sollen’s den allgegenwärtigen, gütigen Gott nur sehen lassen. Aber nicht so obenhin, sondern wir sollen so einige Zeit bei ihm und vor ihm zu bleiben trachten, damit er uns gleichsam recht besehen und heilen möge. Wir müssen ihm nichts andres sagen noch sehen lassen, als was in uns ist, es mag nun sein, was es wolle. Findest du dich nun zerstreut, dunkel, unempfindlich, so sage es Gott einfältig und laß ihn dieses Dein Elend sehen, so hast Du recht gebetet. . . Verleugne viel Deinen eignen Willen und Lüste, so wirst Du im Gebet leicht zurechtkommen, welches der Herr in Deiner und meiner Seele durch seine Gnade wirken wolle!

Tersteegen, Gerhard – Trost auf dem Sterbebett

Findet Dich dieses Blatt noch in dem zeitlichen Elende, so besuche ich Dich hierdurch zum Abschied auf dem Pilger- und Kreuzwege, um uns ewig vor Gott und in Gott wiederzufinden, welches bald geschehen wird. Setze Deine Hoffnung ganz auf die teure Gnade Gottes in Christo Jesu, der gekommen ist, die Sünder selig zu mähen! Suche nichts in Dir selbst, in Jesus ist alles und ewig, was Dich beruhigen und selig machen kann. Alle Deine Sünden und Gebrechen, von Kindheit an bis hierher begangen, sind Dir herzlich leid. Du glaubest, daß Gott um seines lieben Sohnes Jesu willen Dir alle Deine Sünden und Gebrechen überflüssig könne, wolle und werde vergeben und mächtig sei, Dir zu helfen aus allem Deinem Jammer zu seinem ewigen himmlischen Königreich. O du große Gottesgnade in Jesu! O du gründlich beruhigendes Blut meines teuren Erlösers, der um meiner Sünde willen gelitten und gestorben am Stamm des Kreuzes! An dich glaube ich, auf dich leg‘ ich mich, Jesus! Jesus! In der ewig großen Glut deiner erbarmenden Liebe sind alle meine Sünden wie kleine Stoppeln. In diese deine Jesusliebe will ich mich versenken und verlieren, wie ich bin; du kannst mich erlösen, du Menschenfreund!

Du hast Dich in Deinem Leben öfters Jesu ergeben und anvertraut und hast gewünschet, ganz und ewig für ihn zu sein und ihn allein zu lieben und ihm anzuhangen. Das befestigest Du nun nochmals vor der Tür der Ewigkeit mit einem herzlichen Amen. Ja, Jesu, dein bin ich, dein will ich bleiben im Leben, im Sterben und in der ganzen Ewigkeit! Du hast mich dir zum Eigentum erkaufet. Du hast Recht zu meiner Seele. Dir händige ich sie wieder ein als dein Gut. In deine Hände lege ich auf ewig nieder meinen Geist, du getreuer Gott in Jesu! Bewahre du dieses teure Pfand in deiner Hand! Halte du fest, wie du verheißen hast: „Meine Schafe sind in meiner Hand, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“ Habe ich dich, o du liebenswürdigstes Wiesen, schlecht geliebet und gedienet auf Erden, so erwarte ich nun von deiner Barmherzigkeit eine Ewigkeit, da ich dich vollkommen lieben, dienen und verehren möge mit allen deinen Heiligen, Jesu, ich beuge mich unter deine Zucht; reinige, bereite und vollende mich! Soll dieses sterbliche Leben hinsinken, so bleibe du mein ewiges Leben und die ganze Herrlichkeit meiner Seele!

So gehe denn hin im Frieden, mein lieber Bruder, und schaue Deinen Heiland! Er stärke, erquicke und helfe Dir durch! ]a, er wird es tun. Er segne Dich aus seinem Heiligtum und begleite Dich durch das Tal des Todes zum Leben, das ewig ist! Amen, Jesus! Amen, Jesus! Jesus, Amen! In diesem Namen grüße und küsse ich Dich nochmals von Herzen und bleibe durch seine Barmherzigkeit nun und ewig

Dein treuverbundener Bruder.