Geiler von Kaysersberg – Selig bist du

Selig bist du, so du dein Gemüth nimmer an die Dinge dieser Welt heftest. Gedenke, wo du bist! Sprichst du: Wo bin ich denn? Du bist zum Ersten im fremden Lande, da du kein Bleiben hast, sondern immer fort und fort mußt. Du bist zum Andern im Thale der Thränen. Wie die Kinder Israel an den Flüssen Babels saßen, ihre Harfen an den Weiden aufgehangen hatten und weineten, so sitzen die andächtigen Seelen neben den Flüssen der Vergänglichkeit dieser Welt, die an ihnen vorüberrauschen. Sie klagen, wenn sie die Unruhe fühlen, dadurch sie an der Betrachtung Gottes gehindert werden, sie trauern, wenn sie gewahren, wie so Viele jämmerlich in den Gewässern ertrinken, sie weinen, wenn sie an die ferne Heimath des himmlischen Jerusalems gedenken. Wo bist du zum Dritten? In dem Reiche und dem Schatten des Todes. Wenn du den Schatten eines Menschen erblickst, so weißt du, daß du nicht weit mehr von ihm bist. Siehe nun, so nahe ist dir der Tod, daß sein Schatten immerdar auf dich scheint!