Ist Jemand zu einem Laster besonders geneigt, so strebe er der entgegengesetzten Tugend mit Eifer nach. Wer leicht heftig und erbittert wird, meide die Gelegenheiten zum Zorn und suche gleichsam mit Gewalt in Ruhe und Sanftmuth zu verbleiben. Wer ungeduldig ist im Leiden, der übe sich in der Betrachtung der Beispiele der Väter, zumeist Christi und der Märtyrer. Wer zu karg ist, versuche mildthätig, wer zu bedenklich ist, freieren Sinnes zu werden. Alles, wonach der Wille ohne vorhergegangene Ueberlegung mit einer gewissen Hast greift, mag es noch so gut scheinen, muß für verdächtig gehalten werden, denn solche Antriebe gehen meist von der Sinnlichkeit aus und der böse Feind hat sein Spiel darin. Es steht geschrieben: Vor der, welche in deinem Busen schläft, hüte dich, das heißt, laß die Sinnlichkeit über deine Vernunft nicht, wie die Frau über den Mann, herrschen. Kannst du sie nicht völlig überwinden, so widerstehe ihr wenigstens immerfort; solcher Streit und Kampf wird dir vor Gott als Sieg angerechnet werden. Oft gilt es höher, Stand zu halten in der Schlacht, als sofort zu siegen; auch sieht der weiseste und gerechteste König, unser Gott, mehr auf den Willen als auf die Thaten seiner Streiter.