Hildebert von Tour – Geistliche Mahle

Halte oft geistliche Mahle, und laß dir den Tisch mit geistlichen Speisen besetzen. Sprich zum Schmerz, als zu deinem Diener: Lege mir Brod vor, das heißt, Thränen wegen der begangenen Sünden. Sie sollten ja unser tägliches Brod sein. Solches aß der, welcher geschrieben: Thränen sind meine Speise Tag und Nacht! Aber sprich weiter zum Schmerze: Knabe, hast du nicht auch etwas Gekochtes? Bringe mir Solches, denn der Mensch lebt nicht vom Brodte allein. Darauf möge der Schmerz noch drei Gerichte vorlegen. Das erste ist das Gedächtniß an unser Elend, das zweite die Erinnerung an unsre Entfernung von der Heimath, das dritte der Gedanke an die Schwierigkeit der Rückkehr. Indem er das erste bringt, soll er sprechen: Du bist Staub und wirst wieder zum Staube werden! beim zweiten: An den Wassern zu Babel sitzen wir und weinen, wenn wir an Zion gedenken; beim dritten: So der Gerechte kaum erhalten wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen? Es sind das freilich scharfe, aber gesunde Speisen; sie schmecken bitter, aber wenn man sie verschlungen hat, lassen sie einen Nachgeschmack, süß wie Honig, zurück. Auch tritt sogleich darnach der Mundschenk der Freude heran, und gießt Wein der göttlichen Gnade und Liebe ein. Da wird das ganze Antlitz des Menschen erheitert.