Bernhard von Clairvaux – Auferstehung

Er selber, der Herr Zebaoth, der Herr der Herren und der König der Könige, wird einst herabsteigen, um unsere sterblichen Leiber lebendig und seinem verklärten Leibe ähnlich zu machen. Welche Feierlichkeit, welcher Jubel, wann der Schöpfer der Welt, der einst zur Rettung unserer Seelen niedrig und verborgen kam, um dich, o armes Fleisch, zu verherrlichen, in seiner Glorie und Majestät erscheinen wird! Wer mag ihn denken, jenen Tag der Wiederkunft, wo er herabfahren wird, vom ewigen Lichte umflossen! wo die Engel voraneilen und mit Posaunenhall die Todten aus den Gräbern rufen werden! O dann werden die Wünsche der Gläubigen ganz erfüllt, dann werden alle Lande voll der Ehre des Herrn werden!

Bernhard von Clairvaux – Du bist Erde

Aus Erden werden wir geboren, auf Erden sterben wir und kehren wieder zurück zur Erde, daraus wir genommen sind. Unser Eingang ist beschränkt, unser Aufenthalt kurz, der Tod allein gewiß. Sehr vermehrt, weit verbreitet hat sich Adam und die ganze Erde ringsum erfüllt. Aber mag er wollen oder nicht wollen, mag er sich sträuben, so viel er vermag; an dem ganzen Leibe muß er den Urteilsspruch erfahren, den er sich zugezogen hat, das Wort: du bist Erde, und sollst zur Erde werden!

Bernhard von Clairvaux – Der Tod

Mögen sie auch groß und ehrenvoll scheinen, die Güter, welche die Welt ihren Freunden bietet; wie darauf nicht zu bauen ist, kann Jeder erkennen. Gewiß ist es, daß sie nur kurze Zeit bestehen, und daß das Ende dieser kurzen Zeit ungewiß ist. Denn was ist gewisser in menschlichen Dingen, als der Tod, was ungewisser, als des Todes Stunde? Er hat auch kein Mitleid mit der Armuth, keine Achtung vor dem Reichthum, verschont kein Geschlecht, ja kein Lebensalter, nur daß er bei Greisen in der Thür, bei Jünglingen im Hinterhalt steht. Wehe dir, wenn du auf die Schlüpfrigkeit dieses Lebens vertrauend nicht merkst, daß es ein Dampf ist, der nur kurze Zeit währet, voll von Nichtigkeit. Hast du endlich die Würde erlangt, nach der du so lange mit Ehrgeiz strebtest: erhalte denn, was du hast. Hast du deinen Kasten mit Geld gefüllt: kümmere dich, daß du es nicht verlierest. Hat dein Acker reiche Frucht getragen: brich die Scheuern ab, um größere zu bauen, sprich zu deiner Seele: du hast einen großen Vorrath auf viele Jahre! Doch ein Anderer wird sagen: Du Narr, in dieser Nacht wird man deine Seele von dir fordern und weß wird’s sein, das du bereitet hast? Und wenn es nur noch an dem Verluste des Erworbenen genug wäre, wenn nur nicht der Besitzer zugleich unterginge; denn eher ließe es sich entschuldigen, wenn sich Jemand mit vergänglicher, als daß er sich mit verderblicher Arbeit abmüht. Nun aber ist der Tod der Sünde Sold, und wer auf sein Fleisch säet, der wird vom Fleische das Verderben erndten.

Bernhard von Clairvaux – Erfolg des Gebetes

Was ist es, sprechen Manche, daß wir, obwohl wir immerdar beten, doch keine Frucht unseres Gebetes sehen? Wie wir hinzutreten, so kommen wir wieder, Niemand antwortet uns ein Wort, Niemand schenkt uns Etwas, vergeblich scheinen wir gearbeitet zu haben. Was spricht aber der Herr im Evangelio? Richtet nicht, sagt er, nach dem Augenscheine, sondern richtet ein gerechtes Gericht! Was ist aber das gerechte Gericht anders, als ein Gericht des Glaubens? So folge denn dem Gerichte des Glaubens, und nicht deiner Erfahrung. Der Glaube ist wahrhaftig, die Erfahrung trügt. Die Wahrheit des Glaubens liegt aber in dem Worte des Sohnes Gottes: Alles, was ihr bittet in eurem Gebete, glaubet nur, daß ihr es empfangen werdet, so wird es euch werden. Darum achte Keiner sein Gebet gering; denn der, zu dem wir beten, achtet es nicht gering. Bevor es noch unserm Munde entströmt, läßt er es schon in sein Buch verzeichnen, und auf Eins von beiden können wir sicher hoffen: Entweder wird uns zu Theil, was wir bitten, oder es wird uns etwas Besseres gegeben. So schenkt auch der leibliche Vater dem Kinde, das nach Brod verlangt, solches gern; will es aber ein Messer dazu, so widersteht er, und bricht ihm entweder selbst das Brod, oder läßt es ihm von Andern brechen, um es der Gefahr und Mühe zu überheben.

Bernhard von Clairvaux – Zeit zum Beten

Sehr günstig zum Gebete sind die Stunden, wo der nächtliche Schlummer ringsum tiefes Schweigen gebietet, gleichwie geschrieben steht: Erhebe dich des Nachts und schreie! Wie sicher steigt da das Gebet empor, wo Gott allein und der heilige Engel, der es vor seinen Thron bringt, Zeugen sind! Wie strahlt es da von Lieblichkeit und Bescheidenheit! Wie strömt es so heiter und still, unberührt von Lärm und Getümmel! Wie bleibt es so rein und lauter, wo kein Staub irdischer Sorge es färben, kein Lob oder Schmeichelwort eines Menschen es trüben kann! Siehe, zu solcher Zeit suche den Herrn, und zwar nur den Herrn, da du in ihm Alles findest: Balsam für deine Wunden, Hülfe in deiner Noth, Ersatz für deine Mängel, Güter für dein Glück, ja Alles, was du dir wünschen magst.

Bernhard von Clairvaux – Das Gebet

Das Gebet darf nicht ängstlich und schüchtern, nicht matt und lau, am wenigsten aber frech und anmaßend sein. Ein ängstliches Gebet dringt nicht zum Himmel ein, die übermäßige Furcht hält die Seele darnieder, sie kann nicht steigen, ja nicht einmal schreiten. Ein laues Gebet versucht wohl die Erhebung, fällt aber bald wieder zurück. Ein freches Gebet erhebt sich hoch, wird aber tief herabgeworfen; es erlangt keine Gnade, sondern häuft neue Schuld. Nur das gläubige, demüthige und innige Gebet dringt ohne allen Zweifel in den Himmel ein, und kann nicht leer von da wiederkommen.

Bernhard von Clairvaux – Der christliche Glaube

Darin giebt sich der christliche Glaube kund, daß, wer da lebt, nicht mehr sich selber lebt, sondern Ihm, der für Alle Mensch geboren ist. Hier mag nun aber Niemand sagen: Ihm will ich leben, doch meinem Nächsten nicht! Denn Er hat ja nicht allein für Alle gelebt, sondern ist auch für Alle gestorben. Wie will Ihm nun der leben, der sich um die nicht kümmert, die also von Ihm geliebt worden sind? Wie will Ihm der leben, der sein Gesetz nicht hält, sein Gebot nicht erfüllt? Willst du das Gesetz, willst du das Gebot wissen? Das ist, spricht Er, mein Gebot, daß ihr euch unter einander liebet, wie ich euch geliebet habe, und sein Apostel: Einer trage des Andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.

Bernhard von Clairvaux – Gottes Wege

Ich rathe euch, meine Freunde, zuweilen den Fuß von der ängstlichen und beschwerlichen Erinnerung an eure bösen Wege zurückzuziehen, und auf die ebenen und lieblichen Pfade des Andenkens an die göttlichen Wohlthaten zu treten, damit ihr, wenn ihr dort zerschlagen seid, hier wieder Erquickung findet. Nothwendig ist allerdings der Schmerz über die Sünde, aber er muß nicht immerfort währen; er muß untermischt sein mit dem fröhlichen Gedächtniß der göttlichen Liebe. Fern sei es, zu denken wie Cain: Meine Sünde ist größer, denn daß sie mir vergeben werden möge! Nein, des Herrn Liebe ist größer, als jede Sünde. Weil es aber unmöglich ist, all des Guten, was der barmherzige Herr unaufhörlich uns Sterblichen giebt, zu gedenken, so möge doch wenigstens das höchste und vorzüglichste Werk, das Werk der Erlösung nimmer aus unserer Erinnerung weichen. Dieß zu bedenken, ist eine Pflanzstätte seliger Hoffnung, dieß der stärkste Liebessporn.

Bernhard von Clairvaux – Nachfolge

Wer auch im Geiste wandelt, schreitet doch nicht immer mit gleicher Leichtigkeit fort. Denn der Weg des Menschen steht nicht in seiner Macht, sondern der Geist Gottes giebt ihm die Richtung. So kommt es, daß er bald langsamer, bald schneller vergißt, was dahinten ist, und sich streckt nach dem, was vor ihm liegt. Merkst du nun aber, daß du schlaff und der geistlichen Frische beraubt bist, so verzweifle deshalb nicht, sondern suche die Hand des Herrn, bis er durch neue Gnadenströme deine sinkenden Kräfte aufrichtet. Ist die Bitte erhört, so freue dich, aber bedenke wiederum, daß du kein Recht auf den steten Besitz solcher Gabe hast, damit du nicht von Neuem verzagest, wenn sie dir entzogen wird. Demnach wirst du weise sein, wenn du am guten Tage des bösen, und am bösen des guten nicht vergissest. Fühlst du dich kräftig, so werde nicht sicher, sondern rufe Gott an, und sprich: Wenn ich schwach werde, verlaß mich nicht; bist du von Anfechtungen umgeben, so sei getrost und sprich: Ziehe mich Dir nach!

Bernhard von Clairvaux – Auf den Herrn hoffen

Wer steht und nicht fallen will, der vertraue nicht auf sich, sondern stütze sich auf den Herrn. Der Herr spricht: Ohne mich könnet ihr nichts thun. So ists; weder zum Guten ausstehen, noch im Guten bestehen können wir ohne Gott. Du, der du stehest, gieb ihm die Ehre; dessen Hand dich aufrichtet, dessen Kraft muß dich auch halten. Durch sie kannst du aber auch Alles überwinden. Oder sollte dein nicht Alles möglich sein, der sich auf den Allmächtigen stützt? O gewiß, allmächtig macht er Alle, die auf ihn hoffen!