Ambrosius – Nachtzeit ist Zeit zum Beten

Wenn schon die Jünger der weltlichen Wissenschaften sich nur wenig Schlaf gestatten, um wieviel mehr dürfen dann die, die Gott erkennen wollen, sich nur soweit durch den Leibesschlaf behindern lassen, wie er ein natürliches Bedürfnis ist. David näßte jede Nacht sein Bett mit Tränen. Auch stand er um Mitternacht auf, um dem Herrn sein Bekenntnis abzulegen. Da glaubst du, die ganze Nacht dürfe der Trägheit geopfert werden? Zu dieser Zeit mußt du sehr zum Herrn beten, seinen Schutz erbitten, Schuld vermeiden, wenn sie scheinbar geheim ist. Dann vor allem, wenn mich Finsternis und Wände um mich herum verbergen, ist daran zu denken, daß der Herr in alles Verborgene sieht. Sprich also nicht: „Ich bin von Finsternis umgeben; wer sieht mich? Wen fürchte ich, der ich durch die Wände abgetrennt und abgeschlossen bin?“ „Denn das Antlitz des Herrn steht wider die, so Böses tun.“

Ferner, wenn du auch den Richter nicht siehst, siehst du auch dich selbst nicht? Fürchtest du nicht das Zeugnis deines Gewissens? Weißt du nicht, daß diese nächtliche Finsternis nicht Deckmantel, sondern Anstiftung zur Sünde ist? Nacht war es, als Judas verriet und Petrus verleugnete. In dieser Stunde muß man das Richten Gottes in seiner Seele wiederholen und die mahnenden Gebote einschärfen. Die Keuschheitsvorschriften sollen nicht fern sein, daß der Sinn sich mit ihnen beschäftigen und den Brand der Wollust, die Glut des Fleisches löschen könne. Halte das Psalmwort im Sinn: „Ich netze mein Bett die ganze Nacht.“ Wer der Unzucht hingegeben, in Schandtaten verwickelt ist, der netzt sein Bett nicht die ganze Nacht. Er weiß nicht zu weinen, wer Beweinenswertes tut, und während man über ihn Tränen vergießen müßte, hat er keine Tränen für seine Buße. Wer aber seinen Leib in Zucht nimmt und sich selbst sorgfältig leitet, wer seufzend und klagend über das Ärgernis seines früheren Falles fragt, wie er ihn mit den Tränen der Buße abwasche, der netzt jede Nacht sein Bett.

Laßt uns also nicht so viele Nächte verschlafen, sondern einen großen Teil davon auf Schriftlesung und Gebet verwenden.