Jakob Gerhard Engels – Herzensgüte

Unter Gütigkeit ist Herzensgüte verstanden, das Wohlwollen gegen jedermann, die herzliche Gesinnung gegen den Nächsten. Herzensgüte ist etwas Innerliches, kommt aber zum Vorschein im Umgang mit andern. Wie die Freundlichkeit ist sie ein Abglanz des inneren Friedens und kommt jedermann zugute, unsern Hausgenossen, unsern Nachbarn, allen Menschen, mit denen wir umgehen. Die Gütigkeit dient allen in Liebe. Obenan stehen die Kranken. Wir besuchen sie, trösten sie, gewähren ihnen tatkräftige Hilfe. Sind wir ihnen ferne, so suchen wir sie im Geiste auf, gedenken ihrer unwillkürlich, brauchen uns nicht dazu zu zwingen.

Ferner kommt die Herzensgüte unsern Feinden zugute. Du und ich, wir haben zwar keine Feinde. Wir sind niemandem böse, mögen die Menschen uns auch zürnen, weil wir nicht mit ihnen ihre verkehrten Wege gehen, vielmehr sie deshalb strafen müssen. Denn die Herzensgüte kann auch sehr ernst reden, hat sie doch das Wohl des andern im Auge und haßt sie doch die Sünde, welche die Menschen um ihr zeitliches und ewiges Heil bringt und in ihr Elend hineinstürzt. Darum strafen wir die Sünden unserer Feinde, aber sie selbst lieben wir und sammeln, wo sich Gelegenheit dazu findet, feurige Kohlen auf ihr Haupt. Wie es in der Schrift heißt: Hungert deinen Feind, so speise ihn!

Wo Herzensgüte ist, da ist man beständig und gleichmäßig, nicht mit Launen geplagt, heute so und morgen so. Wir gehen, wie Tersteegen es ausdrückt, in süßer Gleichheit fort. Nichts ist wohltuender für unsere Hausgenossen, als wenn wir vor ihnen und mit ihnen in dieser gleichmäßigen Freundlichkeit wandeln, nicht verkehrt, nicht ungeduldig, nicht verstimmt, nicht auffahrend. Und diese Herzensgüte gewinnt auch für den Herrn. Denn wo Herzensgüte ist, da sinnt man immer darüber nach: Wie kann ich diesem oder jenem zum Segen werden? Dann wird man so vorsichtig in seinem Wandel, nimmt sich so zusammen in seinen Stimmungen, damit man bei andern durch launisches Wesen keinen Anstoß erregt und ihrem Seelenheil schadet.