Bernhard von Clairvaux – Bekehrung von ganzem Herzen

Achte sorgfältig darauf, was du liebst, was du fürchtest, worüber du dich freust oder betrübst, und du wirst unter der äußeren religiösen Haltung einen weltlichen Geist, unter dem Lumpengewand der Bekehrung ein verkehrtes Herz finden. Das ganze Herz nämlich liegt in folgenden vier Neigungen und Gesinnungen, – und, ich meine, von ihnen aus ist es abzunehmen, was es besagen will: du sollst dich von ganzem Herzen zu Gott bekehren! Deine Liebe zuvörderst soll sich bekehren, so daß du durchaus nichts als ihn oder doch sicherlich nur als um seinetwillen liebst. Auch deine Furcht soll sich zu ihm bekehren, weil jede Furcht verkehrt ist, nach welcher du etwas außer ihm oder nicht um seinetwillen fürchtest. So soll sich auch deine Freude und deine Trauer gleichermaßen zu ihm bekehren. Das aber wird nur so geschehen, daß du bloß hinter ihm her trauerst und dich freust. Denn gibt es etwas Verkehrteres als sich zu freuen, wenn du etwas schlecht gemacht hast, oder über schlechte Dinge aufzujauchzen? Auch diejenige Traurigkeit, welche nach und aus dem Fleische ist, bringt den Tod. Wenn du aber über deine oder deines Nächsten Sünde trauerst, so tust du wohl, und diese Traurigkeit ist zum Heil. Wenn du deine Freude an den Gaben der Gnade hast, so ist das eine heilige und sichere Freude im Heiligen Geist. Du sollst auch in der Liebe zu Christo dich mit den Brüdern über Freudiges freuen, und über Trauriges mit ihnen trauern, wie geschrieben steht: „Freuet euch mit den Fröhlichen und weinet mit den Weinenden!“ (Röm. 12, 15.) Bei alledem ist selbst die leibliche Bekehrung nicht gering zu schätzen, vielmehr ist sie als eine nicht geringe Hilfe für die geistliche anzusehen. Daher fügt der Herr zu seiner Rede: „Von ganzem Herzen“ noch hinzu: „mit Fasten“, was doch Sache des Leibes ist. Doch will ich dabei uns daran erinnert haben, daß jenes Fasten nicht bloß in Bezug auf die Speisen, sondern auch auf alle Lockungen des Fleisches und das ganze Begehren des Leibes zu beobachten ist; ja es gilt sogar bei weitem mehr der Sünden als der Speisen sich zu enthalten.