Bernhard von Clairvaux – Der Garten Gottes

Ich habe einen herrlichen Garten und einen köstlichen Ort gefunden; schön wäre es, wenn wir zusammen dort wohnen könnten. Denn auch für dich ist es nicht gut, in diesem Bette der Krankheit noch ferner zu liegen, auf diesem Schmerzenslager dich noch länger herumzuwerfen. Suche nur den Herrn; er ist nahe der Seele, die auf ihn hofft. Stelle dir indeß keinen irdischen Ort unter diesem Garten vor! Nicht mit Leibesfüßen, sondern mit Liebesfüßen geht man da hinein; nicht Bäume der Erde treten dir entgegen, sondern eine herrliche Pflanzung geistlicher Tugenden. Die Augen werden erleuchtet durch den Anblick der reinen Wahrheit; das Ohr wird erfreut von der lieblichen Stimme des innern Trösters; ein Hoffnungsduft strömt von dem vollen Acker, welche der Herr gesegnet hat; mit Lust kostet man von unvergleichlichen Liebesgerichten und Ruhe umfängt die Seele, nachdem sie von Dornen und Hecken, welche sie stachen, befreit und mit dem Oele des Erbarmens gesalbt ist. Siehe, das Alles bezieht sich nicht nur auf den Lohn des ewigen Lebens, sondern schon auf den Sold der Streiter in der Zeit, das Alles gehört schon zur Verheißung der gegenwärtigen Kirche; es ist das Hundertfältige, das in dieser Welt denen, die sie gering achten, zu Theil wird. Doch darfst du nicht glauben, daß ich dir Solches noch weiter durch künstliche Reden anpreisen werde. Der Geist allein offenbart es; in Büchern suchst du es vergeblich, frage die Erfahrung. Ist es doch die Freundlichkeit des Herrn; kostest du sie nicht, so lernst du sie nicht kennen. Kostet, heißt es, und sehet, daß der Herr freundlich ist. Ein verborgenes Manna ist es, ein neuer Name; nur der, welcher ihn empfangen hat, kennt ihn. Gelehrsamkeit lehrt ihn nicht, sondern die geistliche Salbung; nicht das Wissen, sondern das Herz begreift ihn.