Bernhard von Clairvaux – Gottes Wille

Einst wird uns nicht so sehr dieß erfreuen, daß unser Kummer gestillt und großes Glück uns zu Theil geworden, als vielmehr, daß Gottes Wille in uns und an uns in Erfüllung gegangen; darum wir auch täglich im Vaterunser bitten, wenn wir sprechen: Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden! O heilige und keusche Liebe, o süße und liebliche Empfindung! O reines und ungetrübtes Leben des Willens, wo Nichts mehr von Eigenheit zurückgeblieben ist! So sein heißt Gott gleich werden. Wie ein kleiner Wassertropfen, unter vielen Wein geschüttet, ganz zu verschwinden scheint, da er Geschmack und Farbe des Weines annimmt; wie das Eisen sich ganz vom Feuer durchdringen läßt; wie die Luft, vom Sonnenscheine durchglänzt, in dieselbe Klarheit des Lichtes sich wandelt, so daß sie nicht sowohl erleuchtet, als selbst Licht zu sein scheint; so wird einst in den Heiligen alle menschliche Neigung zerfließen und sich ganz in den Willen Gottes auflösen. Denn wie sollte Gott Alles in Allen sein können, wenn irgend Etwas im Menschen vom Menschen übrig bliebe? Verbleiben wird zwar das Wesen, aber in anderer Gestalt, in anderer Herrlichkeit, in anderer Kraft.