Bernhard von Clairvaux – Heiligung

Um die Schaar vielfacher Gedanken, die wie pöbelhaftes Volk in den Hof deines Gedächtnisses eindringen wollen, abzuwehren, setze einen Wächter an sein Thor, der heißt: „Erinnerung an das gethane Gelübde.“ Deine Seele soll sich selbst schelten und sprechen: Darfst du Solches denken, da du ein Priester Gottes sein sollst? Schickt es sich für einen Knecht Christi, bei dergleichen auch nur vorübergehend zu verweilen? So wird der Strom unerlaubter Gedanken verstopft und gehemmt werden. Gleicherweise mußt du an der Thür des Willens, der von fleischlichen Begierden, wie das Haus von schlechtem Gesinde, erfüllt zu sein pflegt, einen zweiten Hüter aufstellen, der heißt: „Erinnerung an das himmlische Vaterland.“ Ein solcher wehrt dem bösen Gelüst und öffnet Ihm den Zugang, der gesprochen: Siehe, ich stehe vor der Thür und klopfe an! Den zuverlässigsten Wächter aber mußt du vor das Wohnzimmer der Vernunft treten lassen, damit sich hier nicht etwa ein Feind offen oder versteckt einschleichen kann; dieser heißt: „Erinnerung an die Hölle.“ Eher mag es vergeben werden, wenn das Gedächtniß einem unnützen Gedanken, oder der Wille einem unreinen Begehren Raum läßt, aber das ist schrecklich, wenn auch die Vernunft das rechte Ziel aus den Augen verliert.