Anselm von Canterbury – Der Mühlstein

Es giebt einen Mühlstein, der immerdar umläuft. Der Herr hat ihn seinem Knechte mit dem Befehl übergeben, daß er nur gutes Getreide, Weizen, Gerste oder Hafer darauf mahlen möge. Diesen Knechte nun stellt ein Feind nach, der, so oft er den Stein leer findet, entweder Sand darauf wirft, der ihn zerfrißt, oder Pech, das ihn verklebt, oder Spreu, die ihn umsonst beschäftigt. Höre nun, was das Gleichniß sagen will. Der Mühlstein ist das menschliche Herz, welches beständig von Gedanken getrieben wird. Nur Gutes zu denken, hat Gott einem Jeden geboten. Die tiefen und ruhigen Gedanken über Gott gleichen dem Weizen, die Erhebungen der Seele zur Andacht der Gerste, die Entschlüsse zur Tugend dem Hafer. Solches Alles soll der Mensch denken, um sich ewige Speise zu bereiten. Aber der Teufel stellt ihm immerdar nach, und findet er das Herz leer von guten Gedanken, so erfüllt er es sogleich mit bösen. Einige davon verzehren es, wie Zorn und Neid, andere verschließen es, wie Wollust und Ueppigkeit, andere beschäftigen es umsonst, wie eitle Ruhmbegier.