Bernhard von Clairvaux – Erkenntnis

Bevor wir aus der Finsterniß dieser Welt scheiden, müssen wir das Licht der Erkenntniß anzünden, um nicht von der zeitlichen Nacht in die ewige zu gerathen. Was ist das aber für eine Erkenntniß? Zu wissen, daß der Herr kommt; wissen wir gleich nicht, wann er kommt. Nicht Alle haben solche Erkenntniß. Denn denkst du wohl, daß Jene, die in ihren Sünden noch scherzen und jubeln, es wissen oder bedenken, daß der Herr kommt? Sagen sie es, so glaube ihnen nicht; denn wer da sagt: ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner. Die wahre Erkenntniß wirkt zuvörderst Buße und Schmerz, verwandelt das Lachen in Weinen, die Freude in Traurigkeit. Zweitens wirkt sie Besserung, daß man seine Glieder nicht mehr zu Waffen der Ungerechtigkeit macht, die Schwelgerei verbannt, den Stolz unterdrückt und den Körper in heiliger Ordnung hält. Weil dieß aber nicht anders geschehen kann, als daß der Geist nach allen Seiten hin seine Aufmerksamkeit richtet, so wirkt sie drittens Behutsamkeit. Man fängt an bedächtig vor seinem Gott zu wandeln und prüft sich gründlich, um auch nicht im Geringsten die hohe Majestät zu beleidigen.