Wenn man keine andere Gewissheit von Christus, dem Heiland, hat, als was einem der Schulmeister (oder Professor) in seiner Jugend davon vorgesagt, so ist man freilich sehr übel daran; denn es kann einem der Einwurf gemacht werden: wer weiß, wenn du ein Jude geboren wärest, so glaubtest du, was dich der Rabbi gelehrt hätte; wenn du ein Türke geboren wärest, so glaubtest du, was dich der Mullah gelehrt hätte; wenn du unter den Heiden geboren wärest, so glaubtest du, was dich der Bonze, der Lama, oder sonst ein heidnischer Geistlicher gelehrt hätte. Und man könnte nicht viel darauf sagen.
Es muss also notwendig was sein, das einem gewisser ist, als alles, was sich unser Verstand angeeignet hat, worauf man sicher fußen und vor Jedermann behaupten kann: Ja, ich wäre doch ein Christ, wenn ich gleich ein Jude geboren wäre; ich wäre doch kein Türke oder Heide geblieben, wenn ich ein Türke oder Heide geboren wäre.
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Nikolaus von Zinzendorf – Christen
Der wesentliche Charakter eines Christen besteht absolut darin, dass er sich nicht auf seine Religionspartei beruft, sondern auf seine Natur, auf sein Herkommen; denn der schwerste Einwurf an jenem Tage wird der sein: Ich kenne euch nicht, wo ihr her seid.
Der Christ ist nicht darum selig, weil er zu dieser oder jener Religionspartei gehört, weil er Paulisch, oder Kephisch, oder Apollisch, oder Christisch, sondern weil er Christ ist.\\
Man sagt in allen Sprachen Christianer, in unserer deutschen Sprache allein sagt man: ein Christ, und das ist das rechte Wort. Alles ist euer, ihr aber seid Christi, ihr gehöret Christi, ihr seid sein Erbe, sein Geschlecht. Ihr seid Bein von seinem Bein, und Fleisch von seinem Fleisch. Und das bezieht sich auf 1. Mos. 2,23. Man wird sie Männin heißen, weil sie vom Mann genommen ist. Darauf beziehen sich alle Propheten, wenn es heißt: die nach meinem Namen genannt sind. Wir werden aber nicht nach Christi Namen genannt, als ob Christus nur unser Lehrer, Prophet und Gesetzgeber und der Urheber unserer Religion wäre. In diesem Sinne sind wir nicht Christen; sondern wir sind Christen, so wie in unsern europäischen Ländern eine Frau den Namen ihres Mannes trägt, und künftig genannt wird, nicht wie sie geboren, sondern wie ihr Mann heißt, also heißt eine jede Seele, die ein Recht hat, sich zu nennen, die vom Mann genommen ist, Christo angehörig, Christin.
Wer sich auf nichts anders zu steifen hat, als dass er Jesu Lehre gelesen, oder darüber gepredigt, oder in den Grundsätzen seiner Religion befestigt ist, den kann man für nichts anders als für einen Christianer, für einen Anhänger einer christlichen Religionspartei gelten lassen. Und wenn er auch in seiner Religion alle Pflichten erfüllt, so kann er doch darum nicht fordern: o du Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, bekenne dich zu mir! sondern wer das fordern will, der muss in seinem Herzen gechristet sein, muss zum Christen gemacht sein, muss seines Gebeins und seines Geistes sein. Er muss mit Wahrheit rühmen können: der mich gemacht hat, ist mein Mann, der sich mit mir verlobt hat in Ewigkeit und sich mit mir vertraut hat in Gnade und Barmherzigkeit, ja, der sich im Glauben mit mir verlobt hat.
Nikolaus von Zinzendorf – Warum Menschen verloren gehen
Nicht eine Menschenseele wird deswegen mehr verdammt, weil Adam gefallen ist, indem die Sünden am Kreuz alle auf einmal versöhnt, und der ganze Fall ausgestrichen, und das ganze Urteil über den Fall Adams mit Jesu Nägeln zerrissen und vernichtet ist. Wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christo alle lebendig gemacht, (1. Kor. 15,22.) alle, die doch in die Hölle kommen und zum Teufel fahren, nicht ausgeschlossen. Am Stamm des Kreuzes ist die Welt auf einmal selig geworden, und was verloren geht, geht sich verloren, weil es Jesum nicht annehmen will, weil es von neuem fällt, und Adams Fall wiederholt, weil es aus einer gewissen Feindseligkeit gegen seinen Versöhner die Partei des Feindes ergreift, der noch lebt, und an jeder Seele versucht, was er am ersten Menschen versucht hat.
Nikolaus von Zinzendorf – Richtig von Jesus hören
Es gibt viele tausend Menschen in der Welt, die, wenn sie Jesum predigen hören, gerade so hören, als ob sie eine Zeitung lesen, da ihnen die Menschen, von denen die Rede ist, fünfhundert oder tausend Meilen entlegen sind, die sie nichts angehen, unter denen sie nicht einen Bekannten haben, und in ein paar Tagen nicht mehr wissen, was es war. Warum? Es ist ihnen nicht wichtig, sondern eine fremde Sache. Wem aber der Heilige Geist an’s Herz gekommen ist, wem er das Herz aufgeschlossen hat, wem er den Stein vom Herzen weggewälzt hat, dem ist, wenn er von Jesu und von der Versöhnung hört, so, als wenn Jemand eine Zeitung von seinem Sohn, von seinem Vater, von seinem Bruder, als wenn ein Weib von ihrem Mann Nachricht erhielt. Es ist ihm alles lebendig. Und das kommt nicht von der Würde des Menschen, der redet, nicht von den Worten, die ausgesprochen werden, nicht von der Beweglichkeit des Bezeugens dabei, nicht von den Beweisgründen, die einer vorbringt, oder von der Annehmlichkeit seiner Person, sondern das kommt von der Liebe her, die im Herzen zur Sache ist. Wie kommt aber die hinein? Sie wird ausgegossen in unser Herz durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist. Wenn der Heilige Geist ins Herz kommt, so zerschmelzt Er das Herz, da werden die Augen nass, da freut sich Leib und Seele.
Nikolaus von Zinzendorf – Jesus kennen
Ach, liebe Freunde, bildet euch nicht ein, dass wir Jesum kennen; wir fangen an, Ihn zu kennen, wenn wir Ihn erst recht zärtlich und über alle Dinge lieb gehabt haben, wenn uns in der Welt nichts mehr neben Ihm steht, wenn wir uns selbst, unsere Gesundheit, Leben, Hab und Gut, unser Vergnügen (denn von Ansehen in der Welt ist gar keine Rede), wenn wir uns selbst mit Leib und Leben aus Liebe gegen Ihn vergessen; aus Liebe zu Ihm uns gram sein können zu gewissen Zeiten, so sage ich, ist ein kleiner Anfang seiner Erkenntnis Schuld daran, es kommt daher, weil wir erkennen, dass Er sein Leben für uns gelassen hat. Und unser ganzes Leben besteht im Zunehmen oder Wachsen in dieser Erkenntnis, dass wir Ihn heute besser kennen als gestern, in einem Jahre um ein Jahr besser, in zwanzig Jahren um zwanzig besser, und in der Ewigkeit um eine Ewigkeit besser, als jetzt. Das ist die große Wissenschaft, die unerschöpfliche Erkenntnis; in Ihm, in seiner Person liegt ein Schatz von Weisheit und Erkenntnis verborgen, der nicht auszugründen und auszuleeren ist.
Nikolaus von Zinzendorf – Falsche Lehrer
Wenn ein Lehrer predigt, und er hat nichts im Herzen, so ist’s weder gehauen noch gestochen, es fehlt die sola (Matth. 9, 27.) Der Mann redet nicht als einer der’s versteht, der da zu Hause ist, sondern er beschreibt, so zu reden, einen runden Turm viereckig, er verrät durch seine Beschreibung, dass er an dem Ort nicht gewesen, davon er redet. Wenn aber einer so bestimmt, überzeugend, gründlich und wahrhaftig redet von einer Sache, die er nicht erfahren hat; da ist er ein Prophet wie Kaiphas, da ist er entweder in einem außerordentlichen Zustand für diesmal, oder für allemal als eine außerordentliche Person anzusehen, als ein besonderer Knecht, dessen sich Gott außerordentlich bedient, zu einem gewissen Zweck, und man muss um deswillen Achtung für ihn haben, die sein innerer Zustand mit sich bringt.
Nikolaus von Zinzendorf – Die eifrigen Lehrer
Die eifrigen Lehrer machen den Irrtum zum Kennzeichen eines Verdammten, und das Bekenntnis dieser oder jener Wahrheit zum Kennzeichen eines seligen Menschen. Man disputiert ihnen ihre Wahrheit nicht, aber ihre Schlüsse; die eine: wer das nicht so und so fasst, der kann nicht selig werden; die andere: wer sich von dem oder jenem Begriff Meister macht, der wird selig. Nun ist es wohl wahr, dass es gar keine wahre Erkenntnis gibt, ohne zugleich selig zu sein. Deswegen glaube ich aber nicht, wenn einer dies oder jenes nicht weiß, so wird er verdammt, oder wenn er dies weiß, so ist er selig; denn es gibt Lente, die Einsichten in Wahrheiten haben, und doch nicht selig sind, so kann man also nicht im Allgemeinen sagen, dass die Erkenntnis selig macht. Darum sagt der Apostel, wenn ich ein Prophet wäre und hätte alle Erkenntnis rc. 1 Kor. 13. Es kann also Jemand ein Seher, ein außerordentlicher Knecht Gottes sein, dessen Worten man zuhören muss, dessen Vorträge solide sind, und er ist doch für sich nicht selig. Wenn er sein Prophetenamt und Gabe in Hochmut führet, und sich dessen bedient zum Brillieren (Glänzen) unter dem menschlichen Geschlecht, um für etwas gehalten, geehrt und andern Nebenkreaturen vorgezogen zu werden und hat Lust daran, so kann er in der Hauptsache leer ausgehen, und wenn er auch mit Engelszungen redete, doch nichts als eine tönende Glocke sein, von einem eigenen oder fremden, ihm selbst unbekannten, Geist getrieben, aber nicht voll heiligen Geistes innerlich im Herzen.
Nikolaus von Zinzendorf – Der Glaube ist keine Kunst
Der Glaube ist gar keine Kunst, sondern der erste Anfang des Glaubens ist Not. Niemand als einer, der den Geist des Luzifers, einen satanischen Hochmut und Blindheit hat, dass er sein leibliches und geistiges Elend nicht sehen will denn das ist Satans Geist und Satans Stolz hat Gefahr hinter den Notglauben wegzukommen. Denn wenn ein Mensch bloß allein menschlich hochmütig und eigenliebig ist, endlich doch den Faden seines Grundverderbens und Elendes in sich selbst findet, und seine Entschuldigungen hören auf, so fängt er an sich selbst zu schelten, sich selbst zu verdammen; und sobald er das tut, sobald er sich selbst für verloren erkennt, so wird ihm von selbst Angst, er darf sich nicht Angst machen, darf sich keine Not einbilden. Und wenn ihm die Angst bleibt und zunimmt, und mengt sich in alle seine Geschäfte, und er muss um Hilfe rufen, da ist er im Glauben, im Notglauben, im seligmachenden Glauben, und weiß selbst nicht wie er hineingeraten ist; ich glaub’s gern, denn ich hab’s gern.\\
So leicht ist es selig zu werden; so ohne alle Entschuldigung bleiben die, die aus Unglauben verloren gehen.
Nikolaus von Zinzendorf – Menschen bekehren
Ich kann mich nicht genug wundern über die Blindheit und Unwissenheit der Leute, die mit dem göttlichen Worte umgehen, und die Menschen bekehren sollen, Juden oder Heiden, oder die ungeratenen Christianer, die so blind sind, als die Juden und Heiden, dass sie denken, wenn sie den Katechismus auswendig lernen lassen, oder wenn’s hoch kommt, ihnen allerlei ausgedachte Beweise vormachen, und ihnen dadurch die Wahrheiten in ihren Verstand eintrichtern, das sei das beste Mittel zu ihrer Bekehrung, und das ist doch so ein verkehrter Weg, als ob man mit aufgezogenem Segel gegen Wind und Strom angehen wollte.
Denn dasselbe Wissen der göttlichen Dinge, das man für Glauben hält, bläht auf, da kommt nichts heraus, und wenn man das Alles zusammen hat, sagt Paulus, und hat die Liebe nicht dazu, und wenn man auch andern davon predigen kann, so ist das nichts anders, als wenn eine Glocke in die Kirche läutet. So wenig die davon hat, so wenig der’s was hilft, dass sie da hängt und klingt, eben so wenig hilfts einem Lehrer zu seiner eigenen Seligkeit, dass er die stärksten Beweise macht.
Nikolaus von Zinzendorf – Der Glaube ist ein göttliches Werk
Der Glaube ist ein göttliches Werk in uns, das uns umwandelt und neu schafft, und ganz andere Menschen aus uns macht, nach Herz, Mut, Sinn und allen Kräften. Wenn das in uns werden soll, so muss Not da sein, eher hat man kein Ohr zu dem Glauben. Wenn wir arm werden, wenn wir sehen, wir haben keinen Helfer, wenn wir unseres Elendes handgreiflich gewahr werden, unser Verderben sehen an allen Ecken, da geht’s dann wie mit einem Kranken, mit dem es auf das Äußerste gekommen ist, dass er sich nach Hilfe umsieht.