Anselm von Canterbury – Streben nach Würde

Die nach hohen Würden in dieser Welt streben, gleichen Knaben, welche Schmetterlinge verfolgen. Die Schmetterlinge halten bei ihrem Fluge keinen geraden Weg, flattern bald da, bald dorthin, und, scheinen sie auch einmal still sitzen zu wollen, so ist es nur von kurzer Dauer. Manche Knaben denken, es sei genug, wenn sie ihnen nur wacker nachlaufen und, da sie bloß ihr Ziel, nicht aber ihre Füße im Auge behalten, stürzen sie zuweilen in eine Grube und verletzten sich stark. Die meisten indeß schleichen sich sacht hinzu, aber wenn sie nahe daran sind, können sie ihre Freude nicht mehr bergen, klatschen in die Hände und verscheuchen die Schmetterlinge. Erreichen sie diese aber ja einmal, so jubeln sie über ein Nichts, und meinen noch Wunder wie Großes zu haben. Ihnen gleichen also die, welche nach weltlichen Aemtern streben. Diese halten keine stetige Bahn, gehen plötzlich von dem Einen zum Andern über. Thoren laufen ihnen mit Hast nach und fallen oftmals, da sie unter jeder Bedingung in ihrem Besitz zu sein wünschen, in schwere Sünden, durch die ihre Seelen tief verletzt werden. Andere hingegen, wenn sie bemerken, wie sie ihnen irgendwo offen stehen, gehen in der Stille und mit List hinzu. Sind sie bald daran, so frohlocken sie schon und meinen ihrer Sache gewiß zu sein; aber unversehens entschlüpfen sie ihnen. Sind sie aber ja glücklich, so jubeln sie, als hätten sie wahre Ehre er. langt, da sie doch nur Eitles gewonnen haben.